Die Ankunft
wusste es, dass es niemand aus dem Dorf sein kann.«
Ich stand neben der Gruppe in der Bäckerei und hörte mir das Dorfgeschwätz an. Viviane lag geschockt zu Hause im Bett und weinte, ihr Stiefvater war nach Moosberg gefahren, um die Kriminalpolizei persönlich nach Mullendorf zu holen.
»Wir wissen gar nichts«, mischte ich mich ein. »Es kann auch ein Killer aus Moosberg oder einer auf der Durchreise aus dem Norden oder Osten oder sonst woher gewesen sein.«
»Der neue Arzt ist auch auf der Durchreise«, konterte Eberhard.
Ich warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Er hatte mit Leonies Tod nichts zu tun und er war es auch jetzt nicht.«
»Woher weißt du das so genau?«, fragte Gertrud, wobei zwischen ihren Zähnen Rumkugeln knirschten. Ihr Frühstück.
»Ich weiß es eben.« Robert konnte es nicht gewesen sein, da ich die ganze Nacht bei ihm gewesen war. Das wollte ich ihnen jedoch nicht auf die Nase binden.
»Es war ein Grabflüchter«, verkündete auf einmal Miriam. Sie riss dabei ihre Augen so weit auf, dass ihr dünnes Gesicht wie ein Totenkopf aussah.
»Was?«
Sie senkte die Stimme. »Ihr wisst es nicht von mir, aber die Tote hatte Bissspuren am Hals, hat mir mein Informant verraten.«
Wer dieser Informant war, konnte ich mir denken. Aber es konnte trotzdem nicht stimmen.
»Das glaube ich nicht.«
»Es ist wahr. Hier am Hals.« Sie deutete mit ihren Fingern zu ihrem dürren Hals, der mich an meine Nachttischlampe erinnerte. Die klemmte man an den Kopf des Bettes, dann beugte sich ein langer, dünner gebogener Hals hinunter auf mein Kopfkissen. Miriam leuchtete zwar nicht, aber der Rest war sehr ähnlich.
»Es soll gegen 22 Uhr abends passiert sein, sagt Steffen«, erklärte Miriam weiter. Bei dem Namen des Polizisten strahlte ihre farblose Haut kurz auf. Sie und er trafen sich hin und wieder und hatten Sex.
Allerdings bedeutete die Affäre für Miriam mehr als für ihn. Er hatte eine Frau und zwei Kinder, sie war Single.
Ein Vampir? Und dann auch noch am Abend? Ich überlegte kurz wegen der Tatzeit und fluchte innerlich. Ich kam als Roberts Alibi nicht mehr in Betracht. Ich war erst eine Stunde später bei ihm eingetroffen. Dann hätte er tatsächlich die Möglichkeit gehabt, doch ich blieb felsenfest davon überzeugt, dass er nur Rehen etwas zuleide tat.
Er konnte es nicht gewesen sein. Oder doch?! Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Wie gut kannte ich ihn wirklich? Ich hatte ihn gerade erst kennengelernt, und das Fernsehen erklärte uns immer wieder, dass wir den Grabflüchtern niemals vertrauen durften. Sie seien Mörder von Natur aus.
Ich holte tief Luft und verscheuchte die üblen Gedanken. »Ihr solltet euch schämen, auf diese Weise neue Dorfbewohner aufzunehmen. Statt Liebe und ein offenes Herz, habt ihr nur Misstrauen für eure Mitmenschen übrig, egal welcher Rasse. Dabei wohnt der Mörder vielleicht schon seit Jahrzehnten unter uns, sitzt mit uns im Clubhaus oder steht sogar hier beim Bäcker. Vampir hin oder her.« Die Anwesenden sahen sich erschrocken und misstrauisch musternd an, während ich meine Streuselschnecken und den Zuckerkuchen vom Tresen nahm, das Geld hinlegte und die Bäckerei verließ.
Ich musste mit Robert sprechen. Oder mit Leif. Er war ebenfalls ein Vampir, den ich kannte.
Ich lieferte den Einkauf bei Viviane ab, die verheult im Nachthemd in der Küche saß. Am liebsten wäre ich bei ihr geblieben, um sie zu trösten. Aber den Mörder ihrer Mutter ausfindig zu machen, war in meinen Augen viel wichtiger. Das wäre ohnehin der größere Trost für sie.
Schnell radelte ich zu Leif in die Tankstelle.
Es war noch sehr früh, die üblichen Trinker standen nicht im Bistro. Eine Familie tankte gerade auf, als ich kam. Ich nahm ihr Geld entgegen, da Leif nicht im Laden war, dann schloss ich die Tür ab. Ich hängte ein Schild auf, das darüber informierte, dass wegen leerer Tanks geschlossen sei, und ging nach hinten.
»Leif? Wo steckst du?«
Er antwortete nicht, stattdessen hörte ich im Keller ein Rumpeln. Ich folgte dem Geräusch und stieg eine schmale Treppe hinunter, wo Leif Weinkisten, Boxen voller Süßigkeiten und Zigaretten aufbewahrte.
Wieder rief ich ihn. Dieses Mal war das Rumpeln deutlicher zu hören. Ich blickte mich in dem Kellerraum um, drehte mich um die eigene Achse und sah sogar hinter einigen Kisten nach, doch ich konnte ihn nicht entdecken. Konnten sich Vampire unsichtbar machen?
Erneut hörte ich es rumpeln, danach ertönte ein schlurfendes Geräusch. Und
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