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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Piel
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Morgens. Du bist gestern Nachmittag hier aufgeschlagen und warst seither kaum ansprechbar.“
    „Das tut mir leid. Oh mein Gott, Sam. Ich... ich kann dir das alles gar nicht erklären...“
    „Du meinst, ich werde nie erfahren, warum du eines Tages blutüberströmt und splitternackt vor meiner Tür liegst?“
    Ich fasste nach seiner Hand.
    „Wenn ich es dir erzähle, wirst du es mir nicht glauben.“ Er grinste, aber seine Augen waren besorgt.
    „Soll ich uns einen Kaffee kochen, und dann erzählst du mir die ganze Geschichte?“
    Ich nickte. Er stand auf und ging hinüber in die kleine Kochecke seines Appartements. Während er an der Kaffeemaschine werkelte, sah ich mich um.
    Es war eine typische Studentenbude: klein und unaufgeräumt. Neben der Kochecke gab es ein Sofa, einen Fernseher, einen überladenen Schreibtisch, auf dem ein Laptop flimmerte, und das ungemachte, blutverschmierte Bett, in dem ich lag. Ich schaute unter die Decke. Sam hatte mir eines seiner T-Shirts übergestreift, mehr trug ich nicht am Leib. Meine Beine waren von den Hüften bis zu den Knöcheln dick verschorft und mit getrocknetem Blut überzogen. Dicker, klumpiger Schorf saß auch auf meinen Handflächen.
    „Ein Glück, dass du mich nicht ins Krankenhaus gefahren hast“, sagte ich.
    „Ich wusste, das war nicht nötig“, erwiderte er über die Schulter. „Es heilt ja schon.“
    „Wunderst du dich nicht darüber? Bei... normalen Menschen... dauert es mindestens eine Woche, bis eine Wunde so aussieht.“
    Er klapperte mit den Tassen.
    „Ja, aber du bist nun mal kein normaler Mensch.“
    Mir lief es heiß und kalt den Rücken hinunter. Was wusste Sam? Ich schob mich vorsichtig aus dem Bett. Meine Fußsohlen schmerzten, als ich mein Gewicht darauf verlagerte.
    „Wo ist dein Bad?“
    „Hier, gleich links die Tür.“
    Vorsichtig ging ich hinüber in das kleine Räumchen und schloss die Tür. Ich benutzte die Toilette und wusch mir dann das getrocknete Blut von den Händen. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, dass Annettes Schminke den Vorfall nicht unbeschadet überstanden hatte. Ich sah aus wie ein trauriger Clown. Ich drehte das Wasser heiß auf, nahm mir ein Handtuch und wusch mein Gesicht. Am liebsten hätte ich geduscht, um auch den verschmorten Gestank in meinen Haaren loszuwerden, aber dringender musste ich Sam befragen.
    Ich fand einen Bademantel und zog ihn mir über. Dann ging ich wieder zu Sam, der an der brodelnden Kaffeemaschine stand und eine Packung Milch öffnete.
    „Zucker?“, fragte er mich.
    „Lieber ein paar Informationen. Was weißt du?“
    Er grinste mich unschuldig an.
    „Moment – habe ich nackt vor deiner Tür gelegen oder du vor meiner?“
    „Jetzt sag schon!“
    Er seufzte und fummelte weiter am Verschluss der Milchpackung.
    „Mein Vater ist einer der Venatio“, sagte er.
    Es musste hundert Jahre her sein, dass ich das Wort zuletzt gehört hatte.
    „Ein Venatio-Druide? Ein Werwolf-Jäger?“
    „Genau. Er ist aber im Ruhestand. Hat sich mit dem Orden überworfen, und er wollte auch nicht, dass seine Verpflichtung auf mich übergeht. Wenn es nach ihm geht, soll ich ein völlig normales Leben führen können.“
    „Dann weißt du...“
    „... über Werwölfe Bescheid. Ja. Und ich weiß auch, dass du eine Wandlerin bist.“
    „Woher?“
    Er goss Kaffee in zwei Tassen.
    „Ich weiß nicht. Ich hatte so ein Gefühl. Eine Frau wie du ist mir noch nie begegnet. Dann die dünne Geschichte mit deiner Tante, die als Model arbeitet... und du bist stark. Stärker als andere Frauen. Obwohl du dich sehr bemüht hast, das zu verstecken. Und denk an den Tag, als du frühmorgens aus dem Wald kamst...“
    Plötzlich fühlte ich mich, als hätte ich ein Schild mit der Aufschrift „Gestaltwandlerin“ um den Hals getragen.
    „Weiß Alexa davon?“
    „Was? Nein, bewahre. Sie ist völlig ahnungslos. Sowohl, was dich betrifft, als auch bezüglich Werwölfen insgesamt.“
    „Schade, dass dein Vater im Ruhestand ist. Ich hätte einen Werwolf, den er jagen kann.“
    Er hielt mir eine Tasse hin.
    „Und jetzt raus mit der ganzen Geschichte.“
    Ich legte mich mit meinem Kaffee wieder ins Bett. Der Blutverlust hatte mich geschwächt. Während ich langsam das bittere Gebräu nippte, erzählte ich Sam alles, was ich wusste.
    Es war merkwürdig, alles auszusprechen. Seit hunderten von Jahren hatte ich Stillschweigen bewahrt. Die Worte wollten mir kaum über die Lippen, doch Sam war ein geduldiger Zuhörer.
    „Und du

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