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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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afrikanischen Hinterland. Sein Sohn, Aurelius' Vater, bereits weitgehend romanisiert, war in die Fußstapfen des Großvaters getreten und hatte es bis zur Stellung des Secutors gebracht, verantwortlich für die Disziplin an Bord und direktes Sprachrohr des Kapitäns, des Trierarchen. Und hier stand Aurelius am Bug der Scipio und starrte neben seinem Proreta Lucius auf die spiegelglatte Wasseroberfläche der küstennahen Gewässer, ein für das Mittelmeer mit seinen normalerweise starken Winden eher ungewöhnliches Bild. Er hatte es bis zum Trierarch gebracht, kommandierte eine mächtige Trireme des Römischen Reiches und würde, so er seine sechsundzwanzig Jahre Dienstzeit überlebte, geehrt und respektiert in sein Heimatdorf zurückkehren. Doch er hatte schon immer mehr gewollt, deutlich mehr als sogar sein Vater für ihn erträumt hatte, er hatte hart an sich gearbeitet und seine derzeitige Stellung in frühen Jahren erhalten. Aber Konstantinopel war weit, und ausschließlich dort, so wurde gesagt, konnte man richtig Karriere machen, in den Stab des Präfekten aufsteigen, sein Ohr finden und ihm fachmännischen Rat geben – und durfte man dann hoffen, nach einigen Jahren zum Navarchen, zum Geschwaderkommandanten, befördert zu werden, auf den Platz, an den Aurelius Africanus wirklich gehörte.
Andere sagten, die Große Flotte würde weitgehend im Hafen der Hauptstadt Ostroms vor sich hin rotten und es sei besser, zwei einigermaßen intakte Geschwader in Ravenna zu haben als eine große Flotte Wracks in Konstantinopel.
Aurelius fühlte sich trotzdem nicht ausreichend gefordert und ahnte, dass er nur dort etwas werden konnte, wo das Reich noch etwas war: im Osten.
Bloß, wie sollte er dies jemals erreichen? Seit acht Jahren war er Trierarch, und seit acht Jahren hatte sich seine Karriere nicht einen Schritt vorwärtsbewegt. Jeder an Bord kannte die Frustration des Kommandanten, vor allem Sepidus, der alte Gubernator. Der hatte dieses Amt seit fast zehn Jahren inne, völlig zufrieden mit seiner Stellung und ohne Zweifel einer der besten Steuermänner in der Flotte. Sicher, die beiden ravennischen Geschwader waren nahe am Regierungssitz des weströmischen Imperiums, doch man musste kein Senator oder Hofschranze sein, nicht der Magister Militium, der oberste Heerführer, noch Navarch oder Präfekt, um zu erkennen, wie sich die Macht Roms mehr und mehr auf das neue Rom, nach Konstantinopel verlagerte. Die Verlegung der gesamten Mittelmeerflotte zu Zeiten Kaiser Konstantins war lediglich ein Indiz dafür gewesen, und jeder wusste, wie wichtig es war, dass der Kaiser Ostroms den Kaiser Westroms anerkannte und unterstützte – während umgekehrt niemand in Konstantinopel auch nur einen Dreck darauf gab, was man in Ravenna, Trier oder wo auch immer gerade der Kaiser Westroms residierte, über ihn dachte. Und das galt leider ebenso für den frustrierten Trierarchen der Scipio, und er musste schwer an sich halten, seine schlechte Laune nicht an seinen Männern auszulassen, die dafür nichts konnten, sondern beflissen ihren Dienst verrichteten.
Nicht, dass es allzu viel zu verrichten gab. Von unten, aus dem Ruderdeck, hörte er die Klänge des Symphoniacus, der mit seiner Flöte den Rhythmus für die Schlagfrequenz der jeweils drei auf einer Ruderbank sitzenden Seeleute gab, immer unter der Aufsicht des Pausarius, der für die korrekte Arbeit auf den Ruderbänken verantwortlich war. Aurelius hatte einst selbst dort gesessen, die ersten zwei Jahre seiner Dienstzeit war er, genau wie jeder andere Rekrut, nicht mehr oder weniger als ein Ruderer gewesen. Niemals erlaubte das römische Recht Sklaven, in der Verteidigung des Reiches eingesetzt zu werden, und obgleich sich viele Freigelassene in den Rängen der Streitkräfte fanden, so doch niemals Unfreie. Wer eine Karriere in der Flotte wollte und weder Verbindungen noch Adel aufzuweisen hatte, begann dort, wo die härteste und am schlechtesten entlohnte Arbeit begann: auf den Ruderbänken. Noch heute setzte sich Aurelius, hatte er gute Laune, zu seinen Männern und ruderte eine Stunde oder zwei, und seinen massiven Oberarmen und dem muskulösen Brustkorb tat dies auch immer wieder gut. Wer dort unten schwitzte und die mächtige Scipio gegen Wind und Wellen in Gang setzte, spürte, was es hieß, römischer Bürger zu sein. Er saß mit solchen aus Pannonien und Afrika, aus Spanien und Gallien in einer Ruderbank, und das Gewirr der Flüche aus unterschiedlichen Sprachen reflektierte

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