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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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Volkert die Senatorentochter auf dem Fest getroffen hatte, war ihm sofort aufgefallen, dass sie dort mit einem Selbstbewusstsein aufgetreten war, das für viele der anderen Gäste beinahe beleidigend gewesen war. In der Tat, auch in der feinen Gesellschaft seiner eigenen Zeit wäre dieses ganz und gar nicht schickliche Verhalten einer »höheren Tochter« außerordentlich unziemlich gewesen. Vor allem die älteren Männer – und von denen hatte es in der Villa viel zu viele gegeben – hatten sich und ihr missbilligende Blicke zugeworfen. Julia hatte sich schließlich mit Volkert an der Jupiterstatue getroffen, wo dieser verabredungsgemäß, jedoch etwas schüchtern auf sie gewartet hatte, und zu seinem Erstaunen hatte sie ihn nicht über die Saarbrücken, die Politik und die Waffen der Fremden ausgefragt, sondern nur über ihn selbst.
Eine wohltuende Abwechslung, und das nicht bloß deswegen, weil die zwar den Körper ganz bedeckende, aber aus irgendeinem Grunde ganz und gar nicht züchtig gefaltete Toga zumindest erahnen ließ, dass Julia über Reize verfügte, die ihr offensichtliches Selbstbewusstsein noch einmal überstiegen. Erkennbar überstiegen.
Als Julia ihm schließlich vorgeschlagen hatte, die Festlichkeit zu verlassen und sich mit ein paar Vorräten vom Buffet auf die nahe Anhöhe zu verziehen, hatte er sofort zugestimmt. Ob nun aufgrund eines Versäumnisses oder weil es ihm schlicht nicht in den Sinn gekommen war, der Kapitän hatte jedenfalls niemandem verboten, das Haus zu verlassen. Die Senatorentochter hatte zielsicher jene Speisen vom Buffet ausgewählt, die am ehesten dem Gaumen des Deutschen entsprachen, was wiederum für ihre Beobachtungsgabe sprach, denn dieses spezielle Problem hatte er mit ihr nicht besprochen.
»Wie sind die Frauen in deiner Zeit?«, fragte Julia und schob sich ein Stück Brot in den Mund. Volkert räusperte sich und überlegte, wie er die Frage beantworten konnte.
»Das ist ganz unterschiedlich«, meinte er schließlich lahm. »Das kommt darauf an, wo du welche triffst. Wenn du bei einer feinen Familie eingeladen bist, sind die Frauen meist genauso … zurückhaltend wie auch hier. Und bei uns ist ebenfalls der Mann ohne Zweifel der Herr im Haus, also, der Vater.«
Er runzelte die Stirn. »Aber in letzter Zeit gibt es da schon einige Änderungen, weil immer mehr Frauen Rechte fordern … ich glaube, es sind sogar einige im Reichsparlament.«
»Parlament?«
»Ah … so etwas wie der Senat. Allerdings sind alle Mitglieder vom Volk gewählt. Sie entscheiden vor allem über das Geld, das der Staat ausgeben darf.«
Julia verarbeitete diese Information. »So ähnlich wie im alten Athen?«
Volkert war in diesem Moment dankbar, dass er eine einigermaßen gute Schulbildung genossen hatte und während dieser nicht auf den Kopf gefallen war. »Ja, nicht ganz so, aber so ähnlich. Ich glaube, im alten Athen hatten die Frauen nichts zu sagen.«
»Das haben sie im Senat auch nicht. Also nicht direkt. Ich glaube, meine Mutter sagt meinem Vater manchmal schon die Meinung und er macht dann im Senat das, was sie ihm … geraten hat. Aber das ist so wohl nicht gedacht.«
»Auch in meiner Zeit gibt es viele, die diesen … den Frauen, die mehr Rechte fordern … also, die das sehr seltsam, ja unangemessen finden.«
Julia schaute Volkert von der Seite an, einen nachdenklichen Ausdruck im Gesicht.
»Und du? Findest du das ebenfalls seltsam?«
Thomas Volkert beherrschte sich. Es war schlimm genug, dass er mit seinem Schiff offenbar 1500 Jahre in die Vergangenheit gereist war, jetzt musste er ausgerechnet auf eine höchst liebreizende junge Dame treffen, die die römische Entsprechung von Clara Zetkin zu sein schien. Zumindest in etwa.
Andererseits wusste er genau, dass er sehr vorsichtig sein musste, wie er diese Frage beantwortete. Nein, das gab er sich selbst gegenüber zu, diese neuen, selbstbewussten Frauen, von denen viele dann auch noch dem Sozialismus zuneigten, gingen ihm gehörig auf den Wecker. Er hielt viel von der guten alten Tradition, dass der Mann in der Familie das Sagen hatte, und was er bisher von den Verhältnissen im Römischen Reich mitbekommen hatte, gefiel ihm gut.
Allerdings gefiel ihm Julia auch gut.
Sehr gut.
Zu gut vielleicht.
Er räusperte sich.
»Nun, ich würde sagen, dass die Zeiten sich ändern und wir aus der Geschichte lernen, dass nichts so bleibt, wie es einmal war.«
Diese umständliche und letztlich ausweichende Antwort schien Julia zufriedenzustellen, oder

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