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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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Euch?«
»Mein Imperator, ich danke. Eure Gnade ist groß.«
Gratian lächelte. »Mein Onkel hatte viele gute Soldaten ins Verderben geführt. Ich muss alle pflegen, die mir verblieben sind.«
»Erneut meinen Dank, Herr.«
»Dann berichte mir. Wer hat jetzt im Osten das Kommando?«
Der Tribun, der nach dem Mahl und bewaffnet mit einem Becher Wein jetzt weitaus entspannter als vorher wirkte, erhob sich und trat an die Karte.
»Richomer gehört zu jenen, die das Kommando über die Resttruppen übernommen haben, Herr. Der einzige überlebende Heermeister ist Flavius Victor, aber er ist schwer verletzt. Sebastianus ist auf dem Schlachtfeld geblieben. In Konstantinopel regiert bis auf Weiteres das Konsistorium, hier hat der Finanzminister den Vorsitz.«
»Modestus. Kein Narr, aber auch kein Militär. Ihm fehlt die Kenntnis, die richtigen Entscheidungen zu treffen«, kommentierte Malobaudes.
»Wo sammeln sich die Truppen?«, fragte Gratian.
»Gar nicht, zumindest nicht, als ich von Richomer zu Euch gesandt wurde. Es ist ein heilloses Durcheinander. Die Goten sind außer Rand und Band. Sie plündern die Dörfer und meiden die Städte. Fritigern hat nach dem Sieg über manche Teile der Seinen völlig die Kontrolle verloren. Sie sind wie berauscht.«
Gratian hatte wenig anderes erwartet. Fritigern war gotischer König und damit genauso, wie es bei den Alemannen der Fall war, ein Mann mit schwankender, ungenau definierter Autorität. Der Sieg hatte selbstverständlich zu seinem Prestige beigetragen, und riefe er zu einer weiteren Schlacht, würde er die verschiedenen Gotenstämme erneut unter seinem Banner vereinigen können, daran bestand kein Zweifel. In der Zwischenzeit jedoch würden Unterführer und Adlige schauen, was für sie aus diesem Sieg heraussprang, und das im Zweifel auch unter bewusster Inkaufnahme der Missbilligung des Fritigern. Gratian war sich nicht einmal sicher, ob der Tod Valens' nicht ohne Kenntnis des Gotenkönigs und ohne seinen Befehl erfolgt war. Es galt jetzt, den Führer der Goten nicht mit allen Untaten in Verbindung zu bringen. Rache war ein Gefühl, dem man sich sehr leicht hingeben konnte, doch politischen Sinn machte es im Regelfalle nicht.
»Was werden die Goten als Nächstes tun?«
Der Tribun wirkte ratlos. »Herr, das weiß niemand. Die Sache ist außer Kontrolle geraten. Als wir …«
Er unterbrach sich und so etwas wie Schuldbewusstsein schlich in sein Gesicht.
»Wir haben die Goten sicher falsch behandelt.«
»Können wir weiter mit Fritigern verhandeln?«, fragte Malobaudes.
»Herr, ich weiß es nicht. Fritigern machte durchaus immer einen vernünftigen Eindruck, bis … nun, bis wir den Bogen überspannt haben. Wenn man ihm das richtige Angebot macht, könnte er zu Verhandlungen bereit sein.«
»Was aber nicht heißt, dass alle seine Unterführer derselben Ansicht sind und etwa einem Abkommen beitreten werden«, gab Malobaudes zu bedenken.
»Das wäre nicht problematisch«, meinte nun Gratian nachdenklich. »Fritigern verfügt über Prestige. Ein Großteil der Goten würde ihm folgen. Selbst wenn es nur zwei Drittel sind, wäre bereits alles erreicht. Mit dem Rest würden wir auf jeden Fall militärisch fertig werden. Unwägbar ist, was die Alanen und die Hunnen machen werden, die mit Fritigern gekämpft haben. Ob er die kontrollieren kann? Ich weiß es nicht.«
Malobaudes nickte. Diese Variante der guten alten römischen Strategie »Teile und herrsche!« hatte schon mehrmals gut funktioniert. Gratian hatte die Lektionen des Ausonius gut verinnerlicht. So würde man tatsächlich Erfolg haben können.
»Tribun, ruht Euch aus. Morgen halten wir Kriegsrat und besprechen das Weitere, ich möchte Euch dazubitten.«
»Ich stehe Euch zu Diensten, mein Imperator.«
»Zieht Euch nun zurück.«
Es bedurfte keiner weiteren Aufforderung. Sich beständig verbeugend, verließ der erschöpfte Offizier das Zelt.
Gratian sah ihm nach.
»Wir brauchen einen neuen Kaiser im Osten«, bekräftigte der Kaiser. »Ich kann das nicht alleine.«
»Nichts übereilen, Herr«, riet der General. »Jetzt lasst uns das alles erst einmal überschlafen. Es nützt nichts, diese Entscheidungen zu schnell zu treffen.«
»Ihr habt recht. Morgen früh. Wir verschieben den Weitermarsch nach Osten bis auf Weiteres. Es macht keinen Sinn, ins Leere zu marschieren und unsere Kräfte unnötig in Gefahr zu bringen.«
Damit war alles gesagt und das Zelt leerte sich. Gratian blieb vor der Karte des Reiches stehen und fragte sich

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