Die Ankunft
Tür implodiert.
21.01.04 Uhr: Kontrollraum D1
Die Überreste der Tür landen inmitten des geräumigen Kontrollraums. Das reguläre Personal ist bereits evakuiert worden, und die Andersartigen sehen sich zehn bewaffneten Wachen in Ganzkörpermontur gegenüber. Neun haben sich entlang der Wand postiert, während der zehnte sich daranmacht, den Eingang zu versperren. Alle zehn Wachen halten ihre Waffen auf die Mädchen gerichtet.
Wachbefehlshaber Collins: Stehen bleiben! Wir wollen nicht auf euch schießen müssen!
Die Andersartigen sehen einander ungerührt an.
Person A(B): Bist du bereit?
Person B.1(A): O ja.
Die Kamera ist gestört. Der Bildschirm wird schwarz.
Die Übertragung wird mittels Backup-Videomaterial aus der Datensicherungszentrale fortgesetzt.
Teil 2 des relevanten Videomaterials liegt bei.
4
Einsam und zu Übertreibungen neigend
Ich war mit dem Alleinsein stets gut klargekommen. Tatsächlich hatte ich es sogar immer vorgezogen. Ich war noch nie eine gute Teamplayerin gewesen. Als ich noch klein gewesen war, hatte ich Ballettunterricht gehabt, doch hatte ich nie synchron mit den anderen getanzt, weshalb ich bei den Pirouetten meist mit den anderen Mädchen zusammenstieß, und zwar so oft, dass mir eine eigene Ecke zum Üben zugewiesen worden war. Bei Taekwondo war es ähnlich gewesen. Ich glaube nicht, dass der Junge neben mir meine enthusiastischen Pseudo-Roundhouse-Kicks ebenso schätzte wie ich. Dann setzten die körperlichen Veränderungen ein, und die seltsamen Blicke und unangebrachten Griffe von ein paar wirklich arschlochmäßigen Jungs führten dazu, dass ich keinerlei Interesse mehr daran hatte, mich in Gruppen jedweder Größe aufzuhalten. Da waren mir die enorme DVD -Sammlung meines Dads und ein paar alte, absonderliche Sci–Fi–Serien und grausame Horrorfilme höchst willkommen. Ebenso wie eine gut bestückte persönliche Bibliothek. Ich konnte so viel Zeit alleine verbringen, wie ich nur wollte, und darüber lesen oder dabei zusehen, wie fiktive Mädchen aufregende fiktive Dinge taten, und war vollauf zufrieden. Das war natürlich vor der Zeit gewesen, als ich mich selbst in ein ganz anderes Mädchen verwandelt hatte, das in der Lage war, aus dem Fenster zu springen und sich die Nacht zu eigen zu machen. Und vor der Zeit, als Dalton wieder zur Schule zurückkehrte und ich begann, mein Rudel zu bilden. Am Nachmittag war ich wieder alleine in meinem Zimmer und wartete darauf, dass Spencer mir eine SMS schickte, um mir mitzuteilen, dass es Zeit war, sich auf den Weg zu Daltons Haus zu machen. Nach dem Unterricht war ich in der Bibliothek gewesen, um nachzusehen, ob es ein paar Bücher gab, die auf irgendeine Weise etwas mit dem Thema Schattenmänner zu tun hatten. Anschließend hatte ich mich dafür entschieden, einen Bogen um die Willkommensversammlung für Dalton zu machen. Ich ging davon aus, dass mich Nikki und ihre Freundinnen nicht vermissen würden.
Mein Dad und meine Stiefmutter waren beide außer Haus. Meine Stiefschwester Dawn war da, doch musste sie etwas für die Schule ausarbeiten und hätte ebenso gut in den Tiefen des Amazonas sein können, was ihre Erreichbarkeit anging.
Ich war von allem umgeben, was meinen Genüssen diente: meinen persönlichen DVD - und Bücherbeständen, die alle exakt so angeordnet waren, wie ich es gern hatte; den dämlichen Postern an den Wänden; Snoopy, meinen ausgestopften Beagle. Trotzdem fühlte ich mich alles andere als wohl. Ich konnte an nichts anderes denken als an den Schattenmann von letzter Nacht. Ich starrte kontinuierlich zum Fußende meines Betts, wo ich ihn gesehen hatte. Ich hatte alle Lichter eingeschaltet, doch wusste ich, dass das hell leuchtende Gelb ihn nicht aufhalten würde, falls er Gestalt annehmen wollte, um mich zu beobachten. Und dachte ich mal nicht an den Schattenmann, kam mir Dr. Gunther Elliott in den Sinn. Ich erinnerte mich an die Nacht im Klub, als er mich nach draußen gelockt und dann mit einer Pistole auf mich geschossen hatte. Ich erinnerte mich an die Nacht, als er mich vor den jeweiligen Häusern von Patrick und Spencer gefunden und versucht hatte, mich zu töten. Das war jene Nacht gewesen, in der Spencer und ich uns gemeinsam in Wölfe verwandelt und Dr. Elliott angesprungen hatten. Unsere monströsen Zähne in sein Genick und in seine Brust geschlagen hatten. Heißes, schmieriges Blut war aus den schrecklichen Wunden gesickert, in meinen Mund gedrungen, auf meiner Zunge gelegen. Und die
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