Die Anstalt
Abstellkammer schleifen. In der Pflegestation gab es Anzeichen von einem Kampf, wir wissen also, dass es ihm nicht gelungen ist, sich einfach von hinten anzuschleichen und sie mit einem Glückstreffer ohnmächtig zu schlagen oder so. Ich nehme sogar an, dass er sich auf den Kampf gefreut hat.«
Lucy seufzte. »Stimmt. Je mehr er sie verprügelt hat, desto mehr hat es ihn erregt. Das würde in das Persönlichkeitsbild passen, das wir uns bis jetzt von ihm machen können.«
Francis erschauderte, und er hoffte, dass die anderen es nicht merkten. Es ging ihm gegen den Strich, so kalt und sachlich über Geschehnisse zu reden, die seiner Meinung nach an Grauen alle Vorstellungskraft sprengten. »Wir wissen also«, fuhr Peter fort, »dass wir nach jemandem suchen, der über eine gewisse Muskelkraft verfügt. Das schließt eine Reihe von Leuten hier drinnen von vornherein aus, weil ein Ort wie dieser hier, auch wenn Gulptilil das vermutlich bestreiten würde, nicht unbedingt die körperlich Kräftigen anzieht. Gibt nicht allzu viele Marathonläufer und Bodybuilder hier drinnen. Und außerdem sollten wir unseren Kandidaten-Pool auf eine bestimmte Altersspanne reduzieren. Danach bleibt uns, meine ich, keine andere Möglichkeit mehr, um die Liste zusammenzustreichen. Diagnose, ja. Bei wem ist eine Neigung zu Gewalttätigkeit dokumentiert? Wer leidet an einer Form von Geisteskrankheit, die letztlich bis zu Mord reichen könnte?«
»Genau das denke ich auch«, sagte Lucy. »Wir entwickeln ein Porträt des Mannes, den wir suchen, und unser Bild wird nach und nach Kontur gewinnen.« Dann wandte sie sich an Francis. »C-Bird, auf diesem Gebiet bin ich auf Ihre Hilfe angewiesen.«
Francis beugte sich eifrig zu ihr vor. »Was brauchen Sie?«
»Ich glaube, ich verstehe nichts von Wahnsinn«, sagte sie.
Francis musste wohl verwirrt aussehen, denn sie lächelte. »Oh, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich verstehe den psychiatrischen Jargon und die Diagnosekriterien und Therapiepläne und all den Lehrbuchkram. Aber was ich nicht verstehe, ist, wie es sich von innen nach außen anfühlt. Ich glaube, dabei können Sie mir helfen. Ich muss wissen, wer diese Verbrechen begangen haben könnte, zumal hieb-und stichfeste Beweise nur schwer zu haben sind.«
Francis war sich seiner Sache nicht sicher, doch er sagte: »Was immer Sie benötigen …«
Peter dagegen nickte, als sähe er etwas, das wohl auch für Lucy offensichtlich war, das Francis aber entging. »Das kann er, da bin ich sicher. Er ist ein Naturtalent. Ein angehender Lehrer. Stimmt doch, C-Bird?«
»Ich will’s versuchen.« Tief in seinem Innern hörte er ein Rumoren, als hätten einige seiner Untermieter da drinnen einen Streit vom Zaun gebrochen, und endlich hörte er, wie eine Stimme forderte:
Sag’s ihnen. Das ist schon in Ordnung. Sag ihnen, was du weißt.
Er zögerte nur eine Sekunde und sprach dann, als würden ihm die Worte von anderen Quellen eingegeben. »Eine Sache solltet ihr euch klar machen«, fing er langsam, vorsichtig an. Lucy und Peter sahen ihn beide an, als käme es ein wenig überraschend für sie, dass er etwas zu ihrem Gespräch beitrug.
»Und was?«, fragte Lucy.
Francis wies mit dem Kopf auf Peter. »Er hat sicher Recht, nehme ich an, wegen der Kraft, die er haben muss, und auch damit, dass es hier drinnen nicht allzu viele gibt, die so viel körperliche Kraft aufbieten können, um jemanden wie Short Blond zu bezwingen. Ich meine, das ist vermutlich einigermaßen logisch. Aber nicht ganz. Falls der Engel nämlich Stimmen hören würde, die ihm befehlen, Short Blond und diese anderen Frauen anzufallen – na ja, also, es stimmt nicht, dass er dann so stark sein muss, wie Peter gesagt hat. Wenn man das hört und die Stimmen einem sagen, man soll das und das tun – ich meine, wenn sie einen wirklich anbrüllen und darauf bestehen und nicht mit sich reden lassen –, also, dann ist alles andere, Schmerzen, Schwierigkeiten, der Kraftaufwand, all das ist dann zweitrangig. Man tut einfach, was sie verlangen. Man überwindet alle Schwierigkeiten. Wenn eine Stimme einem dann sagt, man sollte einen Wagen hochheben oder einen Felsbrocken, egal, man würde es tun oder es zumindest versuchen, auch wenn es einen umbrächte. Es muss also nicht stimmen, dass der Engel, wie Peter sagt, ein starker Mann ist. Es kann immer noch fast jeder sein, weil er die nötige Kraft finden kann. Die Stimmen könnten ihm zeigen, wo.«
Er schwieg und hörte tief in seinem Innern
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