Die Anstalt
nervösen Angewohnheit, sich jedes Mal, bevor er etwas sagte, zu räuspern und, ob er nun zustimmte oder nicht, mit dem Kopf zu nicken, so dass sein etwas ungepflegter schwarzer Haarschopf auf und nieder wippte. Er hatte ein Klemmbrett mit einem Formblatt darauf in der Hand und machte sich, während Gulp-a-pill sprach, zügig Notizen.
»Keine Anzeichen von Schlägen«, sagte Gulptilil. »Keine äußere Anzeichen von Traumata. Keine erkennbaren Wunden.«
»Plötzliches Herzversagen«, sagte der geierhafte Doktor und wackelte dabei heftig mit dem Kopf. »Ich sehe gerade in seinem Krankenblatt, dass er in den letzten Monaten wegen eines Herzleidens behandelt wurde.«
Lucy Jones stand hinter den Ärzten.
»Sehen Sie sich seine Hände an«, sagte sie unvermittelt. »Die Nägel sind blutig und eingerissen. Das könnten Verteidigungsverletzungen sein.«
Alle drei Ärzte drehten sich zu ihr um, doch Mr. Evil unterzog sich der Mühe, ihr zu antworten. »Wie Sie sehr wohl wissen, wurde er gestern in eine Schlägerei verwickelt. Eigentlich sah er nur zu, als zwei Männer ihn plötzlich rammten. Von sich aus hätte er nicht mitgemacht, aber er hat sich gewehrt, um sich aus dem Handgemenge zu befreien. Ich vermute, dabei hat er sich die Nägel eingerissen.«
»Dasselbe würden Sie wohl auch zu den Kratzern an seinen Unterarmen sagen?«
»Ja.«
»Und dazu, wie das Laken und die Decke um sein Gesicht zerknüllt sind?«
»Ein Herzinfarkt kann sehr schnell und sehr schmerzhaft kommen, und er könnte sich einen Moment lang gewunden haben, bevor er ihm erlag.«
Die Ärzte stimmten alle murmelnd zu. Gulp-a-pill drehte sich zu Lucy um.
»Miss Jones«, sagte er langsam und geduldig, was nur unterstrich, wie ungeduldig er in Wahrheit war. »Der Tod ist in der Klinik leider nichts Ungewöhnliches. Dieser bemitleidenswerte Herr war älter und lebte bereits seit vielen Jahren hier. Er hatte schon einen Infarkt hinter sich, und ich hege kaum Zweifel, dass der psychische Stress seines Umzugs vom Williams ins Amherst in den letzten Tagen, zusammen mit der Prügelei, in die er ohne eigene Schuld verwickelt wurde, wie auch die schwächende Wirkung einer nicht unbeträchtlichen Medikamentendosis über die Jahre sich alle verschworen hatten, sein kardiovaskuläres System weiter zu schwächen. Ein völlig normaler und keineswegs außergewöhnlicher Tod, hier im Western State. Trotzdem vielen Dank für Ihren Hinweis …«
Er legte eine Pause ein, die ihr zeigen sollte, dass er ihr in Wahrheit für gar nichts dankte, und fuhr dann fort: »Aber suchen Sie nicht nach jemandem, der ein Messer benutzt und in irgendwie ritualistischer Art und Weise die Hände seiner Opfer entstellt und seine Angriffe Ihres Wissens auf junge Frauen beschränkt?«
»Ja«, erwiderte Lucy. »Da haben Sie Recht.«
»Demnach fügt sich dieser Tod nicht in das Schema ein, für das Sie sich interessieren?«
»Auch da haben Sie Recht, Doktor.«
»Wären Sie dann wohl so gut, uns diesen Todesfall routinemäßig behandeln zu lassen?«
»Sie wollen keine Experten von auswärts hinzuziehen?«
Gulptilil seufzte, womit er einmal mehr nur mühsam seine gereizte Stimmung verbergen konnte. »Was meinen Sie: Wird ein Neurochirurg jedes Mal die Polizei rufen, wenn ein Patient während der Operation stirbt? Dies hier ist eine vergleichbare Situation, Miss Jones. Wir reichen einen Bericht bei der zuständigen Behörde ein. Wir halten eine Personalbesprechung zu dem jeweiligen Todesfall ab. Und, falls bekannt, setzen wir uns mit den nächsten Angehörigen in Verbindung. In Fällen, bei denen gravierende Zweifel bestehen, veranlassen wir eine Autopsie. In anderen Fällen verzichten wir darauf. Und nicht selten, Miss Jones, sind wir sozusagen die einzige Familie, die ein bedauernswerter Patient hat, und so begleiten wir unseren Toten direkt bis ins Grab.«
Er zuckte die Schultern. Es sollte eine gleichgültige Geste sein, nach Lucy Jones’ Eindruck jedoch nur seinen Ärger kaschieren.
In der Tür hatten sich Patienten versammelt, die versuchten, einen Blick in den Schlafsaal zu erhaschen. Gulptilil sah Mr. Evil an. »Ich denke, das grenzt schon an Morbidität, Mr. Evans. Schaffen wir diese Leute raus und bringen den Mann in die Leichenhalle.«
»Doktor …«, fing Lucy noch einmal an, doch er schnitt ihr das Wort ab und wandte sich stattdessen an Mr. Evil.
»Sagen Sie, Mr. Evans, ist letzte Nacht irgendjemand in dieser Station wach geworden und hat eine tätliche
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