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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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harte Backkartoffeln mit der Konsistenz von unaufgetauter Tiefkühlkost, nur dass sie heiß wie glühende Kohlen waren, die gerade aus einem Feuer geholt worden waren. Der Lange saß allein an einem Ecktisch, während sich die anderen Bewohner an die anderen Tische drängten und versuchten, einen Bogen um ihn zu machen. Zu Beginn des Essens hatten zwei oder drei von ihnen versucht, ihm Gesellschaft zu leisten, doch Lanky hatte sie wütend weggewedelt und dabei wie ein alter Hund geknurrt, den man bei seinem Schläfchen stört.
    Das übliche Stimmengewirr war gedämpft, das Klappern mit den Tabletts und dem Geschirr entsprechend leiser als sonst. Ein paar Tische waren für die älteren, senileren Patienten reserviert, die Hilfe brauchten, doch selbst die eilfertige Routine des Fütterns oder die Hilfe für die katatonischen Fälle, die einfach nur geradeaus starrten und kaum merkten, dass ihnen jemand das Essen zwischen die Zähne schob, schien irgendwie still und gedämpft. Von seinem Platz aus sah Francis, während er unglücklich seine geschmacklose Mahlzeit kaute, dass sämtliche Pfleger im Speisesaal Lanky verstohlene Blicke zuwarfen und versuchten, ihn im Auge zu behalten, während sie sich um die anderen kümmerten. Einmal tauchte Gulp-a-pill kurz auf und beobachtete Lanky eine Weile aufmerksam, bevor er hastig mit Evans sprach. Bevor er ging, schrieb Gulp-a-pill ein Rezept, das er einer Schwester reichte.
    Lanky war sich der besonderen Aufmerksamkeit, die er auf sich zog, offenbar nicht bewusst.
    Er war lebhaft ins Selbstgespräch mit einigem Für und Wider vertieft und verrührte dabei das Essen auf seinem Teller zu einer zähen Masse. Er nahm einen Schluck Wasser, gestikulierte ein-, zweimal wild, indem er mit dem knöchernen Zeigefinger in die Luft vor ihm stieß, als wäre es jemandes Brust und als gälte es, einen alles entscheidenden Standpunkt zu verdeutlichen. Dann senkte er wieder genauso schnell den Kopf und starrte auf sein Essen, um erneut vor sich hinzuglotzen.
    Sie waren bereits beim Dessert – Würfel aus limonengrüner Götterspeise –, als Lanky aufsah und wohl plötzlich merkte, wo er war. Mit einem erstaunten Ausdruck im Gesicht wirbelte er auf seinem Stuhl herum. Sein drahtiges graues Haar, das ihm gewöhnlich in schmierigen Kringeln bis zu den Schultern fiel, wirkte jetzt wie elektrisch geladen – wie bei einer Cartoonfigur der Sonntagszeitung, die den Finger in die Steckdose hält, nur dass dies hier kein Witz war und niemand darüber lachte. Seine Augen waren wie bei dem ersten Zusammenstoß mit Francis wild und angstverzerrt, nur viel leidenschaftlicher und schlimmer. Francis sah, wie sein Blick durch den Raum huschte und dann bei Short Blond Halt machte, die nicht weit von Lanky weg war und gerade einer alten Frau mit ihrem Essen half, indem sie jedes schleimige Stück Hühnchen in kleine Happen schnitt und ihr anschließend wie bei einem Kleinkind auf dem Hochstuhl an die Lippen führte.
    Lanky sprang so heftig auf, dass der Stuhl klappernd zu Boden fiel, und hob in ein und derselben Bewegung seinen dürren Finger, um ihn der jungen Lernschwester entgegenzustrecken.
    »Du!«, rief er wütend.
    Short Blond sah verwirrt von ihrer Arbeit auf. Einen Moment lang zeigte sie auf sich und formte mit den Lippen: »Ich?« Sie rührte sich nicht vom Fleck. Francis nahm an, dass ihre bislang vermutlich kurze Ausbildung der Grund dafür war. Jeder alte Hase der Klinik hätte wesentlich schneller reagiert.
    »Du!«, schrie er wieder. »Du musst es sein!«
    Am entgegengesetzten Ende des Saals sprangen Little Black und sein Bruder auf und bahnten sich hastig ihren Weg durch den Raum. Doch die Tischreihen und Stühle und die vielen Patienten machten die Strecke zum Hindernislauf, und sie kamen nicht schnell genug voran. Short Blond stand auf und starrte Lanky an, der jetzt mit ausgestrecktem Finger und großen Schritten näher kam. Sie wich ein wenig zurück und tastete sich rückwärts zur Wand.
    »Du bist es, ich weiß es!«, brüllte er. »Du bist die Neue, die nicht überprüft worden ist! Du bist es, du musst es sein! Das Böse! Böse! Wir haben ihr Tür und Tor geöffnet! Hau ab! Hau ab! Alle aufpassen! Keiner weiß, was sie anrichten kann!«
    Seine verzweifelten Warnungen vermittelten den anderen Patienten den Eindruck, als habe Short Blond eine ansteckende Krankheit oder könne jeden Moment explodieren. Im ganzen Speisesaal zuckten die Leute ängstlich zusammen.
    Short Blond trat den

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