Die Anstalt
hat ja gerade nicht funktioniert, oder?« Vielleicht wäre es in der realen Welt da draußen, besonders heute mit DNA -Analysen und elektronischen Mikroskopen und den erheblich verbesserten gerichtsmedizinischen Techniken und wissenschaftlichen Neuerungen und anderen sensationellen Errungenschaften gar nicht so schwierig gewesen, den Engel zu finden. Vermutlich sogar ganz einfach: Man gebe die richtigen Substanzen in ein Reagenzglas, ein bisschen hiervon und ein bisschen davon, jage sie durch ein Gas-Chronometer, wende ein wenig Weltraumtechnologie an, lese die Computeranzeige und finde unseren Mann. Doch damals im Western State Hospital hatten wir nichts von alledem.
Wir hatten nichts weiter als uns.
Allein im Amherst-Gebäude gab es fast dreihundert männliche Patienten. Diese Zahl verdoppelte sich in den anderen Stationen, so dass wir in der gesamten Klinik auf zweitausendeinhundert kamen. Die Zahl der Frauen fiel ein wenig geringer aus; im Amherst betrug sie einhundertfünfundzwanzig und in der Anstalt insgesamt etwas über neunhundert. Mit Schwestern, Lernschwestern, Pflegern, Sicherheitspersonal, Psychologen und Psychiatern kamen wir
summa summarum
auf gut dreitausend Menschen. Es war nicht gerade eine große Welt, aber wohl eine beachtliche.
In den Tagen nach Lucy Jones’ Ankunft betrachtete Francis die anderen Männer, die durch die Flure liefen, mit verändertem Interesse. Der Gedanke, dass einer von ihnen ein Killer war, beunruhigte ihn, und er ertappte sich dabei, wie er sich drehte und wendete, sobald einer ihm von hinten näher kam. Er wusste, dass das ebenso wie seine entsprechenden Ängste unvernünftig war. Doch es fiel ihm schwer, dieses Gefühl ständiger Angst zu überwinden.
Er verbrachte eine Menge Zeit damit, an einem dafür ungeeigneten Ort Augenkontakt zu suchen. Er war von allen möglichen Geisteskrankheiten in unterschiedlichen Stadien umgeben, und er hatte keine Ahnung, wie er seinen Blickwinkel ändern musste, um eine völlig anders geartete Krankheit als solche zu erkennen. Das Getöse all der Stimmen in seinem Innern verstärkte seine Nervosität. Er fühlte sich ein bisschen so, als sei sein Körper mit elektrischen Impulsen aufgeladen, die alle auf der Suche nach einem ruhenden Pol planlos hin und her schossen. Er fand keine Ruhe und fühlte sich erschöpft.
Peter the Fireman schien nicht ganz so lahm gelegt. Je schlechter es ihm selbst ging, stellte Francis vielmehr fest, desto besser fühlte sich offenbar Peter. Seine Stimme hatte mehr Nachdruck, sein Schritt war beschleunigt, wenn er die Flure durchschritt. Etwas von der schwer zu fassenden Traurigkeit, die er bei seiner Ankunft im Western State Hospital an den Tag gelegt hatte, war von ihm gewichen, worum ihn Francis beneidete, denn er selber empfand nur Angst.
Doch die Zeit, die er mit Lucy und Peter in ihrem kleinen Büro verbrachte, genügte, um selbst die in den Griff zu bekommen. In diesem kleinen Raum beruhigten sich sogar seine Stimmen, und er konnte vergleichsweise mit innerer Ruhe auf das hören, was sie zu sagen hatten.
Punkt eins auf der Geschäftsordnung war, erklärte Lucy ihm, eine Methode zu finden, wie sie die Zahl der möglichen Verdächtigen eingrenzen konnten. Für sie war es nicht weiter schwer, sagte sie, die Krankenblätter jedes Patienten durchzugehen, um festzustellen, wer überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre, die drei anderen Morde zu begehen, von denen sie glaubte, dass sie mit dem Mord an Short Blond in Verbindung standen. Folglich hatte sie noch drei weitere Daten. Jeder dieser Morde war wenige Tage oder Wochen vor dem jeweiligen Leichenfund verübt worden. Eindeutig war der überwältigende Teil der Klinikinsassen in dem fraglichen Zeitraum nicht draußen auf der Straße gewesen. Die langjährigen Patienten, besonders die älteren, ließen sich also einfach aus ihrer Untersuchung streichen.
Diese erste Klärung ihrer Vorgehensweise teilte sie weder Dr. Gulptilil noch Mr. Evans mit, obwohl Francis und Peter davon wussten. Als sie Mr. Evil um die entsprechenden Unterlagen zum Amherst-Bau bat, erzeugte sie einige Spannung.
»Selbstverständlich«, sagte er. »Ich habe die Hauptakten in den Schränken in meinem Büro. Sie können jederzeit kommen und sie dort einsehen.«
Lucy stand vor ihrem eigenen Büro. Es war früh am Nachmittag, und Mr. Evil war bereits zweimal an diesem Morgen vorbeigekommen und hatte laut angeklopft, um zu fragen, ob er irgendwie behilflich sein könne, und um Francis
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