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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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hinaus? Schlüssel zu den anderen Schlafsälen. Zu den Abstellräumen? Und was ist mit den Büros im Verwaltungsgebäude und den Personalunterkünften – passen seine Schlüssel auch zu den Türen? Kann er das Eingangstor öffnen, Francis? Kann er das Eingangstor öffnen und einfach hier rausmarschieren, so oft er will?«
    Sie schlug erneut den Ball.
    Er überlegte einen Moment, dann sagte er: »Die Schlüssel bedeuten Macht, nicht wahr?«
    Klick, klick
traf der Ball auf die Platte. »Zugang bedeutet immer Macht«, sagte Cleo in einem abschließenden Ton. »Die Schlüssel sagen eine Menge«, fügte sie hinzu. »Ich frage mich, wie er daran gekommen ist.«
    »Und wieso ist er in euren Saal eingedrungen und hat riskiert, gesehen zu werden?«
    Cleo antwortete ein paar Ballwechsel lang nicht. Schließlich sagte sie: »Vielleicht nur, weil er es konnte.«
    Wieder dachte Francis darüber nach, bevor er fragte: »Bist du sicher, dass du ihn nicht wiedererkennen würdest, wenn du ihn plötzlich vor dir hättest? Hast du mal darüber nachgedacht, wie groß er wohl war, welche Statur er hatte? Irgendein besonderes Merkmal an ihm. Etwas, wonach man suchen kann …«
    Cleo schüttelte den Kopf, hielt dann aber plötzlich inne. Sie holte tief Luft und schien sich auf das Spiel zu konzentrieren, indem sie mit jedem Schlag das Tempo steigerte, so dass der Ball über der Platte hin und her zischte. Francis war ein wenig erstaunt, dass er mit ihr Schritt halten und ihre Bälle zurückgeben konnte, indem er nach links und rechts sprang, zwischen Vor-und Rückhand wechselte und den Ball jedes Mal sauber traf. Cleo lächelte. Sie tänzelte von einer Seite zur anderen und bewegte sich trotz ihres Schwergewichts mit der Grazie einer Balletteuse. »Aber Francis, du und ich, wir beide müssen nicht sein Gesicht gesehen haben, um ihn wiederzuerkennen«, sagte sie nach kurzer Überlegung. »Wir müssen nur seine Haltung sehen. Hier drinnen, an diesem Ort, in unserem Zuhause, findet sie sich kein zweites Mal. Niemand sonst wird einen Blick haben wie er, nicht wahr, C-Bird? Denn wenn wir den erst entdecken«, sagte sie, »wissen wir genau, was wir vor uns haben. Stimmt’s, oder hab ich Recht?«
    Francis holte aus und traf den Ball ein bisschen fester. Er flog über die Platte und schoss fünf Zentimter übers Ziel hinaus. Mit einer pfeilschnellen Bewegung fing Cleo ihn in der Luft ab, bevor er durch das Zimmer hüpfte. »Halt, zu weit«, sagte sie. »Aber ein kühner Versuch, C-Bird.«
    Francis überlegte: An einem Ort voller Ängste suchten sie nach dem Mann, der keine Angst kannte. In einer Ecke des Tagesraums erhob sich auf einmal ein mehrstimmiges Gebrüll. Er hörte Zorn heraus und schnellte herum. Ein lautes Schluchzen, gefolgt von einem zornigen, schrillen Schrei lähmte den Raum. Er legte den Schläger weg und trat von der Platte zurück.
    »Du machst dich, C-Bird«, kicherte Cleo laut, so dass sie den eskalierenden Streit übertönte. »Wir sollten bald mal wieder spielen.«
     
    Als Francis Lucys Büro errreichte, war er kaum dazu gekommen, über das Gehörte nachzudenken. Er fand sie hinter einem einfachen grauen Stahlschreibtisch an die Wand gelehnt. Sie hatte die Arme verschränkt und beobachtete Peter. Er saß da und hatte drei große, braune Aktenmappen aufgeschlagen vor sich. Außerdem waren eine ganze Reihe Hochglanz-Farbfotos im Format zwanzig mal fünfundzwanzig quer über den Tisch verteilt, daneben Leichenfundort-Skizzen in strengem Schwarzweiß, mit Pfeilen und Kreisen und Anmerkungen darauf sowie Formblätter mit den Details. Es gab Berichte aus den Büros der Coroners sowie Luftaufnahmen von den Schauplätzen. Als Francis den Raum betrat, sah Peter frustriert auf.
    »Hi, Francis«, sagte er. »Hat’s was gebracht?«
    »Vielleicht ein bisschen«, erwiderte Francis. »Ich hab mit Cleo geredet.«
    »Und konnte sie eine bessere Beschreibung liefern?«
    Francis schüttelte den Kopf. Er zeigte auf den Haufen Fotos und Unterlagen. »Ziemlich viel, oder?«, sagte er. Er hatte noch nie den Papierkrieg gesehen, der gewöhnlich mit der Untersuchung eines Mordes einhergeht, und war beeindruckt.
    »Viel Papier, das wenig aussagt«, sagte Peter. Lucy bestätigte sein Fazit mit einem Kopfnicken.
    »Aber das besagt auch eine Menge«, fügte Peter hinzu. Lucy verzog das Gesicht zu einem trockenen Grinsen, als ob diese Feststellung so schmerzlich wie beunruhigend sei.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Francis.
    »Also«, begann Peter

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