Die Antikriegs-Maschine
Der Freudsche Aspekt einer typischen Spionagephantasie ist eines ihrer hervorstechendsten Merkmale.«
»Vielleicht haben Sie recht.« Hutchman erschrak, weil er zugeben mußte, daß der Inspektor richtig vermutet hatte – er brauchte sich nur an die Zweifel zu erinnern, die ihn bei dem Treffen mit Andrea im Camburn Arms befallen hatten. »Ich bin jedoch weder Ehebrecher noch Spion.«
»Ist Ihre Arbeit geheim?«
»Mehr oder weniger. Sie ist außerdem sehr langweilig. Ich weiß genau, daß ich nie mit jemandem darüber gesprochen habe, weil das meine Gesprächspartner unweigerlich zum Einschlafen bringen würde.«
Crombie-Carson zog seinen Mantel aus und setzte sich wieder. »Was wissen Sie über Miss Knights Verschwinden?«
»Nur, was Sie mir gesagt haben. Ist sie… «
»Können Sie sich vorstellen, warum drei Männer mit Gewalt in ihr Apartment eingedrungen sind und sie entführt haben?«
»Nein.«
»Haben Sie einen Verdacht, wer die Täter gewesen sein könnten?«
»Nein. Vermuten Sie etwas?«
»Mr. Hutchman«, sagte der Inspektor ungeduldig, »halten wir uns doch an die Spielregeln! Es ist immer produktiver, wenn ich die Fragen stelle.«
»Gut, aber Sie gestatten doch, daß ich mir Sorgen um eine Freundin mache. Sie erzählen mir nur, daß sie…«
»Freundin? Wäre Bekannte nicht richtiger?«
Hutchman schloß die Augen. »Sie drücken sich sehr genau aus, Inspektor.«
Die Tür wurde geöffnet. Ein Sergeant kam herein, legte einen Schnellhefter auf den Schreibtisch und verließ wortlos den Raum. Crombie-Carson entnahm einem eingehefteten Umschlag acht Fotos: keine erkennungsdienstlichen Fotos, sondern Porträtaufnahmen und Ausschnittvergrößerungen aus Gruppenbildern. Er breitete sie vor Hutchman aus.
»Sehen Sie sich bitte diese Männer an, und sagen Sie mir, ob Sie jemanden wiedererkennen.«
»Nein, ich kann mich nicht daran erinnern, sie je gesehen zu haben«, antwortete Hutchman, nachdem er die Fotos betrachtet hatte. Er wollte das erste umdrehen, aber Crombie-Carson nahm sie ihm weg.
»Wenn Sie jetzt fertig sind«, fuhr Hutchman fort, »würde ich gern gehen und ein Bier trinken.«
Der Inspektor lachte ungläubig und sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu dem Stenografen hinüber. »Ausgeschlossen, Mr. Hutchman!«
»Aber was wollen Sie denn noch von mir?«
»Das erkläre ich Ihnen gern. Dies war Teil eins der Vernehmung. Im ersten Teil behandle ich den Verdächtigen höflich und mit dem Respekt, den er als Steuerzahler verdient – bis offenkundig wird, daß er nicht mit uns zusammenarbeiten will. Das haben Sie deutlich erkennen lassen. Von jetzt an werden andere Saiten aufgezogen, Mr. Hutchman. Darauf können Sie sich verlassen.«
Hutchman starrte ihn an. »Das dürfen Sie nicht! Sie haben nichts gegen mich in der Hand.«
Crombie-Carson beugte sich über den Schreibtisch. »Bilden Sie sich etwa ein, daß mich das stört, mein Freund? Ich bin ein Profi. Ich habe täglich mit anderen Profis zu tun und bleibe fast immer Sieger. Glauben Sie im Ernst, daß ich mich von einem blutigen Anfänger wie Ihnen aufhalten lasse?«
»Einem Anfänger auf welchem Gebiet?« frage Hutchman, ohne sich seine Besorgnis anmerken zu lassen.
»Ich weiß nicht genau, was Sie angestellt haben – noch nicht –, aber Sie haben etwas auf dem Gewissen. Sie sind außerdem ein sehr schlechter Lügner, aber das stört mich nicht, weil es mir die Arbeit erleichtert. Was mir wirklich nicht an Ihnen gefällt, ist die Tatsache, daß Sie eine Art wandelndes Katastrophengebiet sind.«
Ich bin der Mann im Zielpunkt, sagte eine Stimme in Hutchmans Kopf. »Was soll das heißen?«
»Seitdem Sie heute morgen Ihren hübschen Bungalow verlassen haben, sind zwei Männer ermordet und eine Frau entführt worden.«
»Zwei Männer! Ich…«
»Habe ich etwa vergessen, Ihnen das zu erzählen?« Crombie-Carson lächelte entschuldigend. »Einer der drei Männer, die Miss Knight entführt haben, hat einen Passanten erschossen, der sich ihnen in den Weg stellen wollte.«
Der zweite Teil der Vernehmung war so schlimm, wie Hutchman erwartet hatte. Scheinbar endlose Serien von Fragen, oft über Nebensächlichkeiten, die gebrüllt oder geflüstert wurden und Wortschlingen um seine Gedanken warfen. Andeutungen, die augenblicklich wahrgenommen und zurückgewiesen werden mußten, weil sie ihn sonst immer mehr einengten und dazu trieben, ungeschickt zu lügen oder die falsche Wahrheit zu sagen. Nach dieser Zerreißprobe war Hutchman so
Weitere Kostenlose Bücher