Die Apothekerin
pflegen - ich meine, zusätzlich zur Hausarbeit?«
»Hajooo«, meinte Margot und verlangte im übrigen einen höheren Lohn.
Auf der Heimfahrt war Levin mehr als mißmutig. »Du brauchst gar nichts zu sagen«, fuhr er mich an, »du kriegst
dein Geld schon noch. Wer hätte gedacht, daß sich der alte
Knochen wieder aufrappelt!«
»Mach dir keine Sorgen, das Geld kann warten. Aber wir
werden häufiger hinfahren müssen, wenn er wieder zu Hause
wohnt. Ich weiß nicht, ob Margot die Verantwortung
übernehmen kann - ich halte sie für ungeeignet.«
»Ach was, wie kommst du darauf«, sagte Levin, »die ist
schon in Ordnung. Was willst du mehr bei der Bezahlung; ich
hab’ den Opa sogar erwischt, wie er mit dem Fernglas den
Garten absuchte - Margot sonnt sich oben ohne. Ich hab’ sie
ihm besorgt, die letzten waren alle nichts.«
Ich erfuhr, daß er Margot noch aus der Grundschule kannte.
Allerdings sei sie dann in die Hauptschule gekommen und er
ms Gymnasium. Nach einer abgebrochenen Schneiderlehre
wurde sie Fabrikarbeiterin, dann arbeitslos.
Margot war Kettenraucherin und dünn wie ein Strich. In
einer dumpfen Ahnung fragte ich: »Hat sie mal mit Drogen zu
tun gehabt?«
»Wieso denn das?«
Ich hatte Levin von früheren Erfahrungen nichts erzählt;
Margot paßte ins Bild der armen Seelen, mit denen ich zu tun
gehabt hatte. Allerdings waren es immer arme Männer
gewesen. Im Falle Margot wurde mir plötzlich klar: Ich mochte
sie nicht.
Meine anfangs eher unterschwellige Abneigung gegen Margot verdichtete sich, als mir Dorit ein paar Tage später (nicht ohne Genugtuung) erzählen konnte, sie habe Levin mit einer Frau in ein Auto steigen sehen. Natürlich fragte ich sofort nach deren Aussehen.
»Ich hätte deinem Liebling einen feineren Geschmack zugetraut. Das reine Gegenteil von dir.«
Obgleich ich bereits ahnte, daß es sich um Margot handelte, wollte ich sie genau beschrieben haben.
»Schlecht gefärbt, unter dem Blond kommt der mausige Haaransatz heraus, extrem mager, etwa in Levins Alter; ein armes, ordinäres Ding.«
Das war sie, treffend geschildert. Ich grinste. Dorit hatte nur vergessen, die abgekauten Fingernägel zu erwähnen.
4
Auf eigenen Wunsch liege ich auf der chirurgischen Station. Keinesfalls möchte ich eine Wöchnerin im Zimmer haben, die alle paar Stunden einen Säugling stillt. Ich war nie eine Optimistin und habe im Leben schon zu oft erfahren, daß mir das normale Glück anderer Frauen nicht geschenkt ist. Doch Frau Hirte widersprach. »Quatsch«, sagte sie, »wird schon werden.«
»Dorit hat mir immer vorgelebt, wie es sein könnte. Im Gegensatz zu mir wurde sie von ihren Eltern wirklich geliebt, nicht bloß für den eigenen Ehrgeiz gebraucht.«
»Mein Gott«, sagte Frau Hirte, »ich möchte nicht unbedingt mit Ihrer Freundin tauschen; als ich gestern ihren müden Ehemann sah …der könnte doch glatt ihr Vater sein.«
Natürlich verteidigte ich Gero. »Sicher, jung und fröhlich ist er nicht. Aber alles in allem ist sie glücklich verheiratet. «
In Frau Hirtes Miene las ich die Frage » Und Sie?«, aber sie schwieg. Sie wußte genau, daß ich ihr alles erzählen würde, und - zumindest mir - genug Zeit dafür blieb.
Frau Hirte spinnt. Ich nehme an, daß sie früher ihren Chef angebetet hat wie jetzt den Chefarzt. Neulich hat mich die Nachtschwester beim Erzählen ertappt und mich gerügt. Frau Hirte brauche Ruhe. Da war sie aber an die Falsche geraten. Meine Nachbarin behauptete, daß sie besonders friedlich schlafe, wenn neben ihr ein monotoner Redefluß plätschere. Und der versiegte nicht. Diesmal ging es um Margot.
Eine Frau war in unserer Wohnung gewesen. Ich roch es, ich spürte es. Die Haken meiner Kleiderbügel zeigen stets in eine Richtung, damit ich bei einer Feuersbrunst alles mit einem einzigen Ruck aus dem Schrank reißen kann. Meine Mutter hat mir das beigebracht, und pedantisch halte ich diese Ordnung ein. Sowohl mein blaugestreiftes als auch das türkisfarbene Sommerkleid hingen falsch. Ich inspizierte das Bad. Levins Besucher hatten natürlich das Recht, sich hier die Hände zu waschen. (In meinem Kleiderschrank hatten sie dagegen nichts verloren.) Im Klobecken lag eine Zigarettenkippe, eine Unsitte, die ich wegen der Langlebigkeit der Filter nicht vertragen kann; übrigens kein Laster von Levin, der seinen Aschenbecher täglich leerte. In der Villa aber war mir diese Untugend bereits mehrmals aufgefallen.
In Levins Zimmer, das ich ebenfalls untersuchte, lagen Comics
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