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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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herum und zwei leere Bierdosen auf dem Fensterbrett. Ich wollte mich damit trösten, daß sie Kindsköpfe waren. Aber was bei Levin ein pädagogisches Kopfschütteln hervorrief, duldete ich bei Margot kein bißchen. In Kürze sollte sie die Verantwortung übernehmen, einen Kranken zu betreuen; sie war nichts weiter als eine Angestellte, warum brachte Levin sie mit? Ich konnte ihr billiges Parfüm - synthetisches Apfelaroma
- nicht ertragen.
    »War Margot hier?« fragte ich, als er heimkam.
    Er sah mich kurz und prüfend an und zog es vor, nicht zu lügen. Da sie im Gegensatz zu mir schnelle Wagen liebe, habe er sie im Porsche herumgefahren, man müsse sie schließlich bei Laune halten. Mir war nicht ganz klar, warum. Aber ich sagte nichts über die Kleiderbügel, wollte im übrigen auch nicht als alte Tante gelten, die im Gegensatz zur Jugend keine schnellen Fahrten verträgt und zudem noch eifersüchtig ist. In meinen Angstträumen wurde Levin aus der Kurve getragen, m wachem Zustand versuchte ich, mir solche Vorstellungen zu verkneifen. Das ständige Bemuttern meiner männlichen Freunde machte mich zur ewigen Verliererin.
    Trotzdem, Margot hatte keinen Stil. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was Levin mit ihr verband. Immerhin kam er hier aus der Gegend, mit Land und Leuten eng vertraut, während ich als geborene Westfälin wohl nie ganz heimisch wurde. Mit Margot sprach er Dialekt, vielleicht vermittelte ihm das ein Gefühl der Geborgenheit. Levin hatte früher ein halbes Semester im Ruhrgebiet studiert, aber da es dort weder Zwiebelkuchen noch Laugenwecken gab, hatte er rasch die Rückkehr eingeleitet.
    Als wir Hermann Graber vom Krankenhaus abholten, hatte Margot immerhin einen kitschig gedeckten Kaffeetisch (drei Alpenveilchen in einer lila Vase standen vor dem Rekonvaleszenten) mit gekaufter Sahnetorte und starkem Kaffee vorbereitet, Genüsse, die dem Großvater nicht gestattet waren. Levin und ich aßen und tranken, um Margot nicht zu kränken, der Opa verlangte einen Korn.
    Ohne Skrupel brachte ihm Levin den Schnaps. Margot und ich hatten Levin versprochen, den Porsche nicht zu erwähnen, aber sie hätte sich fast verplappert.
    Hermann Graber war sichtlich erfreut, wieder zu Hause zu sein. »Nie wieder Krankenhaus«, sagte er, »da kommen einem nur dumme Gedanken.«
    Höflich fragte ich: »Zum Beispiel?«
    Er lachte. »Zum Beispiel, daß man sein Testament ändern könnte!«
Levin wurde blaß. Er fuhr hoch und sagte: »Komm, Hella, wir müssen gehen.«
»Was is mit meim Lohn?« fragte Margot undiplomatisch.
Der Großvater befühlte seine größte Nasenwarze. »Damit du nicht auch auf dumme Gedanken kommst, sollst du erst erben, wenn dein Studium abgeschlossen ist. Könnte ja sein, ich sterbe morgen, und du meinst dann, keinen Finger mehr rühren zu müssen.«
Ich fand diese Idee gar nicht so falsch.
»Was is mit meim Lohn?« fragte Margot wieder.
Obgleich der Augenblick wirklich nicht klug gewählt war, erklärte Levin seinem Großvater: »Margot sollte eine Gehaltserhöhung bekommen, Opa, schließlich ist alles teurer geworden…«
»Alle wollen mein Geld«, sagte Herr Graber.
Levin zuliebe mischte ich mich ein.
»Was würden Sie empfehlen?« fragte mich jetzt der Alte direkt.
Mein Gerechtigkeitssinn siegte über meine Abneigung; er akzeptierte meinen Vorschlag merkwürdigerweise
ohne mit der Wimper zu zucken. Margot sagte zwar nicht »danke«, aber immerhin: »Alla!«
Zum Abschied küßte er mir galant die Hand, wobei er sich vor Aufregung mit Kaffee bekleckerte. Ich war fast ein bißchen gerührt. Levin sah es voll Zorn.
    Seit ich entdeckt hatte, daß Margot hier gewesen war, entwickelte ich einen mißtrauischen Ekel gegen fremde Spuren in meinen Zimmern. Ich stellte Fallen - spannte ein Haar über mein Schmuckkästchen, blies Puder über die Glasplatten meines Baderegals, markierte den Pegel der Parfumflasche und stellte in den Kleiderschrank eine kipplige Vase, die beim unbedachten Offnen umfallen mußte.
    Vorerst aber roch es weder nach fremder Frau, noch schnappten die Fallen zu. Vielleicht war alles nur eine Ausgeburt meiner Phantasie, und ich hatte die Kleiderbügel selbst umgehängt. Ich hatte zu oft mit zwielichtigen Männern zu tun gehabt, wahrscheinlich tickte ich nicht mehr ganz richtig. Nur mein Kater hinterließ Haare und Fußspuren. Doch eines Abends, als ich den Schrank vorsichtig öffnete, lag die Vase zerbrochen auf dem Boden, und die braunen Glasfläschchen waren anders

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