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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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lassen?«
»Wahrscheinlich kriegt sie dann erst recht seine Wut zu spüren. Besser wäre es, sie unterstützt ihn finanziell und hält ihn sich vom Leibe.«
»Weiß dein Großvater überhaupt, daß sie verheiratet ist?«
»Nein, er hat nie danach gefragt.«
Levin ging in meinem kleinen Wohnzimmer auf und ab. Er hatte noch etwas auf dem Herzen.
»Hast du eigentlich das Gift weggeworfen?« fragte er.
Ich sah ihn scharf an: »Hast du es vermißt?«
Nun war er soweit: »Meinst du, es ist angenehm für mich, immer von deinem Geld abhängig zu sein? Der Alte hat doch keine Freude mehr am Leben und über kurz oder lang wird er eh sterben.«
»Drück dich bitte präziser aus: Was hat das mit dem Gift zu tun?«
»Hella, du weißt sehr wohl, was ich meine. Mir ist eine perfekte Methode eingefallen. Wir wären alle unsere Sorgen los. Wir könnten in einem schönen Haus wohnen, ich würde eine kleine Praxis in Viernheim aufmachen, müßte mich aber nicht sonderlich abrackern, für interessante Reisen und Hobbys wäre Zeit und Geld vorhanden - ist das nichts für dich?«
Ich war entsetzt. Mühsam sagte ich: »Ein schöner Traum, der auch ohne Mord in Erfüllung gehen kann.«
»Von wegen Mord. Er hat eine dekompensierte Herzinsuffizienz, der Hausarzt weiß genau, daß er jederzeit daran sterben kann.«
»Dann warte es doch ab.«
»Ich kann nicht mehr warten. Ich habe Schulden.«
Es ginge nicht um den Porsche, sagte er, Margots Mann wolle ihn erpressen. »Er wird mich fertigmachen, wenn er nicht kriegt, was er will.«
Mir zog es den Boden unter den Füßen weg. Levin, der bürgerliche Student aus gutem Haus, mein erster Freund, mit dem Heirat und Familienleben denkbar schienen, war verstrickt in üble Machenschaften, von denen ich nichts wissen wollte. Ich brach in Tränen aus.
Levin nahm mich in die Arme, streichelte und küßte mich. Als ich mich schließlich von seinem naßgeweinten Hemd lösen wollte, sah ich, daß auch er unglücklich aussah.
»Levin«, schluchzte ich, »wir fangen noch einmal bei Null an. Ich vergesse alles, was du eben gesagt hast, und du bringst das Besteck und den Schmuck deinem Großvater zurück.«
»Damit er genau weiß, daß ich es war - er denkt doch, es war Margots Vorgängerin.« »Gib es einfach zu und bitte um Verzeihung!«
»Er wird mich enterben.«
»Nein, er wird einem reuigen Sünder verzeihen.«
»Niemals! Aber wenn du darauf bestehst…Wo ist das Zeug?«
Ich stand auf und nahm das goldene Kettchen mit dem Jugendstilanhänger, das grün-emaillierte Armband und die Schlangenbrosche aus meinem Schmuckkästchen, holte dann aus der Küche die Vorlegegabel, das Tranchiermesser, das Fischbesteck und die schönen Teelöffel. Ein paar Sachen vergaß ich, alles andere legte ich vor Levin auf den Tisch.
»Aussteuer von meiner Oma«, stellte er fest, als sähe er alles zum ersten Mal, »das gehörte alles ihr und nicht meinen Großvater.«
Ich spielte mit dem Kettchen, das mir so gut stand, als hätte es ein verliebter Goldschmied eigens für mich angefertigt. Was sollte ein alter Mann damit anfangen? Und was bedeuteten ihm die edlen Bestecke, wenn er doch Tag für Tag mit einem durchgebissenen Löffel und einer verbogenen Gabel auskam? Ich packte die Schätze wieder ein.
5
    Mein Vater brachte von seinen Geschäftsreisen stets kleine Seifen, Duschgel, Briefpapier mit Hotelaufdruck und winzige Butterpäckchen mit. Solche Sitten prägen, auch ich habe größere Vorräte an Apothekerproben eingelagert. Hier im Krankenhaus sammle ich täglich die abgepackten Frühstücks- und Abendbrot-Reste: Schmelzkäse, Marmelade, Teewurst und sogar Äpfel und Bananen. Und Frau Hirte legt mir wortlos ihre Beute auf den Nachttisch. Neulich brachte Pawel alle drei Kinder mit - reichlich spät am Abend, aber wenn man erster Klasse liegt, sind die Besuchszeiten nicht so streng -, und ich konnte ihnen eine stattliche Tüte mit Lebensmitteln überreichen.
    Wir tranken gerade unseren roten Tee. Lene wollte auch probieren und riß den kleinen Mund weit auf, um das dicke weiße Porzellan zu bewältigen. Frau Hirte hat gar kein Interesse an den Kindern, sie schlug sofort ihr Buch auf. Die beiden Großen sehen leider ihrer Mutter sehr ähnlich, wobei das »leider« mit meinem Neid zu tun hat, denn es sind bildhübsche Kinder. Beim Kleinsten, meinem Liebling, kann man zum Glück nicht sagen, nach wem er geraten ist.
    Als mein Besuch sich verabschiedet hatte, war es noch nicht Nacht. Aber Frau Hirte sagte fast ungeduldig: »Heute

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