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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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fangen wir mal ein bißchen früher an. Vielleicht bin ich gestern eingeschlafen, denn ich habe nicht kapiert, warum Margots Mann Ihren Levin erpressen wollte…«
    Vor einigen Jahren waren Levin und Dieter - Margots Mann - an der griechisch-türkischen Grenze festgenommen worden. In der Heizung ihres Fahrzeugs fand man Heroin; der Wagen wurde beschlagnahmt. Sie hatten abgesprochen, daß in einem solchen Fall Dieter die alleinige Schuld auf sich nehmen sollte, denn Levin wußte, daß er von seinem Großvater endgültig enterbt würde, wenn er mit dem Gesetz in Konflikt kam. Zum Ausgleich sollte Levin Geld lockermachen, einen renommierten Rechtsanwalt mit der Verteidigung beauftragen und, falls das möglich war, eine Kaution hinterlegen, damit Dieter freikam. Nichts klappte. Hermann Graber rückte keine Mark heraus und glaubte auch die Geschichte nicht, die ihm Levin auftischte: Ein Unbekannter habe ihm das Leben gerettet, ihn gegen eine Bande von Straßenräubern verteidigt und sei dann wegen Körperverletzung - die letzten Endes nur Notwehr gewesen sei - im Gefängnis gelandet. »Das glaubst du doch selbst nicht«, sagte Großvater Graber nur.
    Dieter hatte Levin wissen lassen, daß er (nach zwei Jahren in einem türkischen Gefängnis) eine gesalzene Entschädigung verlangte. Man konnte nicht davon ausgehen, daß er jahrelang geduldig auf Hermann Grabers Ableben wartete.
    »Hast du Drogen genommen?« fragte ich. Levin verneinte; er habe allerdings schon als Schüler ein wenig gedealt, seit dieser Geschichte aber die Finger davon gelassen. Dieter sei etwas älter als er und fast ein Profi, aber auch er habe außer einer Linie Koks (und das nur an Feiertagen) nichts genommen.
    »Und Margot?«
»Früher schon, jetzt wohl nicht mehr. Ich habe ihr den Job bei Opa besorgt, damit Dieter meinen guten Willen sieht. Aber ich weiß schon, daß er sich über ihren Hungerlohn entsetzen wird.«
Ein Hungerlohn war es nicht, schließlich war Margot keine tüchtige Hauswirtschafterin, sondern eine ziemlich unfähige Schlampe. Aber immerhin war ich erleichtert, daß Levins Beziehungen zu ihr nicht amouröser Natur waren.
»Dein Großvater plant, daß du erst nach bestandenem Staatsexamen dein Erbe antrittst«, sagte ich, »es hat also gar keinen Zweck, wenn er jetzt schon stirbt.«
»Er war noch nicht beim Notar«, sagte Levin, »deswegen muß alles schnell gehen.«
Ich suchte verzweifelt nach neuen Argumenten. »Du wirst einen Kriminellen nicht von weiteren Erpressungen abhalten, selbst wenn du ihm die geforderte Summe gibst.«
»So ist Dieter nicht«, widersprach Levin. »Es gibt auch unter Dealern einen Ehrenkodex. Verraten wird er mich nie, er wird mich zum Krüppel schlagen.«
»Verkauf den Porsche«, schlug ich ihm vor, »wenn du Glück hast, ist er mit dem Erlös zufrieden.«
»Okay«, sagte er, »anscheinend willst du einen Ehemann, den du mit dem Bratenwender von der Wand kratzen mußt.«
Ich war ziemlich fertig und knurrte: »Dann gib doch diesem schrecklichen Dieter das Gift!«
Levin pfiff durch die Zähne. Er führte viele Gründe an,
der wichtigste war, daß seine perfekte Methode bei jungen Menschen nicht funktionieren konnte. Im übrigen schien er Dieter nicht direkt zu hassen, seinem Großvater aber hätte er eigenhändig den Hals umdrehen mögen. Mir ging es genau umgekehrt.
    Als ich beim Erzählen an dieser brisanten Stelle angekommen war, drehte ich mich besorgt zu Frau Hirte um. Sie schlief bereits, und ich konnte unbedenklich fortfahren.
    Levin weihte mich schließlich in seinen genialen Plan ein, aus dem die winzigen Giftpillen nicht wegzudenken waren. Ich mußte zugeben, daß kein großes Risiko bestand. Meine Angst, als Komplizin verurteilt zu werden, verminderte sich. Aber meinen Abscheu und meine moralischen Skrupel wurde ich nicht so schnell los. Zwar leuchtete mir ein, daß ein alter herzkranker Mann keine lange Lebenserwartung mehr hat, doch niemand besaß das Recht, »ein bißchen Schicksal zu spielen«, wie Levin und auch sein Großvater es nannten. Levin stellte weitere Überlegungen an: »Er wird keine
    Schmerzen leiden, er stirbt sekundenschnell, der Hausarzt rechnet mit seinem Tod und wird den Totenschein ausstellen, ohne eine unnatürliche Ursache in Betracht zu ziehen. Ich kenne übrigens seinen Doktor, er ist auch nicht mehr der Jüngste… Natürlich darf es nicht an einem Wochenende geschehen, weil dann ein fremder Notarzt gerufen wird, dessen Reaktion sich nicht vorhersehen läßt.«
    Ich

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