Die Apothekerin
sich, ohne daß ich es wollte, mein Appetit.
Trotzdem wollte ich wissen, wo er sich herumgetrieben hatte. »Von wegen herumgetrieben«, verteidigte sich Levin, »ich
habe die ganze Zeit gearbeitet.«
Während ich Teller holte und das Essen anrichtete, erzählte
er: Margot hatte heute morgen um zehn Frühstück gemacht;
Hermann Graber schmeckte es, und er las wie ,• immer beim
Kaffeetrinken die Zeitung. Als er fertig war, ging Margot
einkaufen. Nach einer halben Stunde war sie › zurück und fand
den Toten friedlich vor seinem Schreibtisch sitzen, seine
Patiencekarten waren ihm aus der Hand • gefallen. Er sei noch
warm gewesen, sagte Margot, aber sie ,. habe einen solchen
Schreck bekommen, daß sich ihr die Fußnägel hochrollten. Sie
habe sofort Dr. Schneider angerufen. Als der Arzt sah, daß
nichts zu machen war, stellte er den Totenschein aus und rief
Levin an. In Viernheim stieß Levin schon an der Haustür auf
eine heulende Margot. Sie sei schuld, der Opa hätte keinen
starken Kaffee trinken dürfen. Er gab ihr für diesen Tag frei. »Und was hast du dann gemacht?«
»Ich sagte doch schon, mich abgerackert. Aber es hat sich
gelohnt!«
Ich verstand nicht ganz, doch Levin schob mir eine Gabel
voll Shrimps in den Mund und strahlte. Er füllte sein Sektglas
zum zweitenmal: »Prost Hella, auf die fetten Zeiten!« Er öffnete die nächste Tüte und kramte eine
Juwelierschachtel heraus. »Ich dachte, Goldtopas paßt gut zu
deinen braunen Augen.« Dann packte er seidene Hemden für
sich, seidene Blusen für mich, Schuhe, Parfüm und einen
Globus aus.
Er hatte so viel Zeit gebraucht, um Hermann Grabers Safe zu
öffnen; Levin vermutete, daß sein Großvater etwas Bargeld im
Haus hatte. Der Safe war von einfacher Machart, ohne
Schlüssel, nur mit einer Zahlenkombination. Aber es lag nichts
Besonderes darin - Ausweise, das Stammbuch und
Mitteilungen der Bank über verschiedene Festgelder, allerdings
keine großen Posten.
Levin suchte nun systematisch das Schlafzimmer ab, denn er
war sicher, daß hier der Schatz zu heben sei. Aber erst nach
Stunden hatte er Erfolg. »Der Alte war nicht blöd«, meinte er
anerkennend, »auf dieses Versteck wäre außer mir keiner
gekommen.« Aus einem Kaminabzugsloch hing ein winziges
Stück Schnur. Levin nahm den Tapetendeckel ab und zog die
Angel hoch: eine Plastiktüte mit einigen Tausendern. Natürlich
war das nicht die vielgepriesene Erbschaft, aber immerhin ein
bißchen Vorschuß auf bevorstehende Freuden. Dann hatte
Levin den Bestatter bestellt und alles für die Beerdigung
geregelt, darauf vergeblich versucht, den Rechtsanwalt zu
erreichen. Gerade noch vor Ladenschluß war er in ein paar
Geschäften gewesen.
Nun war es mit meiner Fassung vorbei. Ich heulte wie ein
Schloßhund und klebte an Levin wie ein nasser Lappen. Er streichelte mich. »Ist ja gut, jetzt ist alles geschafft.
Komm, leg dich hin und schlaf, du hast es dringend nötig. Ich
muß noch aufbleiben und Pläne schmieden.«
Nach einem entspannenden Kräuterbad und einigen
Baldriantabletten geriet ich in einen dämmrigen Zustand
traumhafter Visionen. »Ab morgen nehme ich keine Pille
mehr«, dachte ich. »Und der Ring kann auch nichts dafür, den
Geiz hat Levin jedenfalls nicht von seinem Opa geerbt,
hoffentlich schlägt bei ihm das Pendel nicht m die
Gegenrichtung aus… Ich muß ihn noch ein wenig erziehen…«
Am anderen Morgen ging ich arbeiten, Levin fuhr nach Viernheim. Das Geld aus dem Geheimversteck hatte er fast ausgegeben.
Sollte man Margot entlassen? Vorläufig nicht, Levin war fürs erste dagegen, es sei besser, wenn die Villa bewohnt bliebe. Wir wollten erst nach einer Total-Renovierung einziehen. Das Haus war im übrigen groß genug, um im Parterre eine zahnärztliche Praxis einzurichten, was man vor einem Umbau bedenken müsse. Ich war erleichtert, daß Levin so vernünftig plante und nicht sofort ein zweites Auto kaufte. Woher kam übrigens die Beule? Ich solle mich nicht darüber aufregen, hatte er erwidert, keiner habe es gesehen.
Levin fieberte dem Notartermin entgegen. Bis dahin wußte er keineswegs, mit wieviel Geld er rechnen konnte und ob das Testament nicht irgendeine gehässige Klausel enthielt. Die Villa jedenfalls besaß den Wert von zehn Porsche, wie er mir versicherte, denn das war Levins Währung.
Der mürrische Notar machte es spannend. Das Testament sei in der Tat zwölfmal geändert worden, sagte er, die neueste Version war bloß zwei Wochen alt, und er kenne den Inhalt selbst nicht.
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