Die Apothekerin
sein Studium abgeschlossen hat?«
»Es fehlt nicht mehr viel, dann hat er es geschafft.«
»Lebt eigentlich sein Großvater noch?«
Das war die Gretchenfrage, aber es hatte keinen Zweck, in diesem Punkt die Ahnungslose zu spielen. »Er ist kürzlich gestorben.«
»Nun, dann muß Levin ja reich sein, es wundert mich, daß er unter diesen Umständen mit nur einem Zimmer zufrieden ist.«
›Er will mich aushorchen‹, dachte ich ärgerlich, das hatte ich nun davon. »Das Testament ist erst gültig, wenn es durch das Nachlaßgericht in Kraft gesetzt wird,« sagte ich, »so etwas geht nicht von heut’ auf morgen.«
Er ging nicht darauf ein, sondern sagte unvermittelt: »Mir ist nicht gut, kann ich mich etwas hinlegen? Levin wird sicher nichts dagegen haben, wenn ich mich kurz auf seinem Bett ausruhe.«
Ungern sah ich, daß er sich die Schuhe auszog (immerhin) und es sich bequem machte; die dünnen Stellen seiner Socken wurden nur noch durch das Nylongerippe zusammengehalten. Mit einem beklommenen Gefühl ging ich hinaus und ließ die Tür einen Spalt weit offen.
Als ich längst die ganze Wohnung auf Hochglanz gebracht hatte, war Levin immer noch nicht zurück, und Dieter schlief weiterhin. Ich schlich an sein Lager und betrachtete ihn. Er paßte nicht zu meinem Bild von einem Dealer; so sah kein Bösewicht aus, mit seinem karierten Hemd und seinen Kordhosen erinnerte er mich eher an einen britischen Studenten oder westfälischen Landvermesser. Auf seinem Gesicht zeichnete sich große Erschöpfung ab; im Grunde ein intelligentes Gesicht, das mir, wenn ich ehrlich war, gar nicht so mißfiel. Wie war er nur auf Margot verfallen! Es rührte mich, daß der Fingernagel seines linken Daumens verkrüppelt war. Ich hatte so etwas wie Mitleid mit dem schlafenden Mann, holte eine Wolldecke aus meinem Zimmer und breitete sie über ihn.
Weil er gutes Essen eingekauft hatte, kam Levin nicht allzu spät heim. Ich schlich an die Tür, als ich den Wagen hörte, und öffnete, bevor er den Schlüssel ins Schloß steckte, legte dabei den Finger an die Lippen und flüsterte:
»Er ist hier!«
»Wer?« fragte Levin zu laut.
Ich bedeutete ihm noch einmal, leise zu sein, und führte ihn
an sein eigenes Bett. Levin betrachtete seinen Partner ungläubig und folgte mir dann in die Küche. Mein tapferer Freund war nervös, fingerte nach seinen Zigaretten und wollte wissen, über was wir geredet hatten.
»Mach dir keine Sorgen, er war sanft wie ein Lämmchen«, sagte ich, »aber ich mußte ihm sagen, daß dein Großvater gestorben ist, er hätte es ohnehin erfahren.«
Levin war gereizt. »Was sollen wir nun mit ihm machen?«
»Ausschlafen lassen, mit ihm essen und eine Runde durch den Schloßpark drehen«, schlug ich vor.
Levin sah mich groß an. »Wer hätte gedacht, daß du so cool bleibst, du hättest eine gute Gangsterbraut abgegeben!«
Ich verschwieg, daß ich das bereits gewesen war, und fing mit dem Kochen an, während mich Levin durch unruhiges Herumlaufen störte. Als Therapie gegen die Hektik ließ ich ihn Äpfel schälen. Levin griff zum schärfsten Messer und hatte sich sofort in die Finger geschnitten. Während ich einen Verband anlegte, stand unser Gast - in Socken - plötzlich vor uns. Beim Anblick der Blutstropfen drehte er sich, blaß geworden, von uns weg. Ich wischte den Tisch ab.
Dieter näherte sich wieder. »Na, alter Schwede«, sagte er und klopfte Levin kräftig - allzu kräftig? - auf den Rücken. »Wohnt Margot nicht mehr in Heidelberg, bei der Lore in der Grabengasse?«
Levin antwortete ausweichend: »Hella ist eine vorzügliche Köchin, wenn man sie nicht stört. Komm, wir trinken einen Aperitif.«
Die beiden verschwanden, während ich den Hasenrücken mit sorgsam entkernten Weintrauben, mit Apfelscheiben und Calvados in der Pfanne schmoren ließ. Kein Wort drang zu mir.
Als ich eine halbe Stunde später zu Tisch bat, waren die zwei Männer in bester Stimmung, weder von einer tätlichen noch von einer verbalen Auseinandersetzung war etwas zu bemerken.
Der Hase war mir gelungen, sie lobten ihn. Wir unterhielten uns über Politik, Klatsch und Kochrezepte. Bis Dieter sich plötzlich erhob: »Gib mir deinen Wagen, du kriegst ihn morgen zurück.«
Ich war fassungslos über dieses Anliegen und konnte mir nicht vorstellen, daß Levin den Porscheschlüssel je aus der Hand gab. Er zuckte auch ein wenig mit den Mundwinkeln und meinte: »Ich kann dich fahren.«
»Ist lieb gemeint, aber absolut unnötig«, sagte Dieter, »du
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