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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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hast mehr getrunken als ich.«
Das stimmte allerdings. Levin gab ihm den Schlüssel. »Du weißt ja, wo es ist.«
Kaum war er verschwunden, fragte ich: »Fährt er zu Margot? Wird er sie verprügeln? Was verlangt er von dir?«
Levin gähnte. »Schatz, wie du vielleicht schon gemerkt hast, ist der Saulus zum Paulus geworden. Wir haben uns gut vertragen, und er wird auch Margot kein Härchen krümmen.«
»Und was ist mit dem Geld, das du ihm schuldest?«
»Kann warten«, sagte Levin, »übrigens wird er unser Trauzeuge.«
Das gefiel mir nicht, denn wohl oder übel war dann auch Margot bei unserer Hochzeit zugegen. Ich hatte meine Eltern, die ich nur noch selten besuchte, und meinen Bruder eingeladen, natürlich auch ein paar Freunde und meine Chefin. Dorit und Gero hätte ich als Trauzeugen gewollt, nun wurden es also Dorit und Dieter. Meine Eltern hatten sich jahrelang über meine schwierigen Liebhaber aufgeregt, sie sollten endlich die Genugtuung haben, daß ihre Tochter einen standesgemäßen Akademiker mit einem beträchtlichen Erbe ehelichte. Wenn Margot auftauchte, würde der gute Eindruck mit Sicherheit zerstört.
Levin lachte über diese Bedenken: »Ich hätte nie gedacht, daß du einen solchen Dünkel hast! Aber gegen Dieter gibt es anscheinend nichts einzuwenden?«
Ich äußerte mich nicht. Aber ich mußte mir eingestehen, daß Dieter auf einen unvoreingenommenen Betrachter vielleicht sogar einen besseren Eindruck machte als Levin. - »Wie alt ist Dieter, hat er einen Beruf?« fragte ich.
»Etwa Mitte Dreißig, er hat auch irgend etwas gelernt, Versicherungskaufmann, glaube ich. Ist ein kluger Junge, der mehrere Sprachen spricht.«
»Und warum arbeitet so ein kluger Junge als Dealer?«
»Keine schlechte Frage. Aber was tut man nicht, um an Geld zu kommen?«
    Meine Giftröhrchen wollte ich an einem neuen Ort deponieren, es war nicht gut, wenn ein unbesonnener, spontaner Mensch wie Levin weiterhin Zugang hatte. Während ich ein sicheres Versteck suchte, überlegte ich, warum mein Großvater derart gefährliche Gifte, die offenbar aus England stammten, gehortet hatte. Solche Dinge gehörten keinesfalls zur Standardausrüstung einer Apotheke, wie ich Levin weisgemacht hatte. Ob es damit zusammenhing, daß Großvater im Dritten Reich in Dinge verstrickt war, von denen man in meiner Familie nicht sprach? Ich tat das Gift in einen alten Blumentopf, kippte Erde darauf und stellte den Topf zu anderen Requisiten meines ehemaligen Balkons in den Keller.
    Der Heiratstermin rückte näher. Ich war aufgeregt, es mußte so viel überlegt werden. Was sollte ich anziehen? Dorit ging mit mir ein cremefarbenes Leinenkostüm kaufen. Sie schlug rosa Moosröschen, Lilien und Vergißmeinnicht als Strauß vor. Doch ich fand, das mache mich zu blaß.
    Levin hatte anderes im Kopf. »Komm mit«, sagte er drei Tage vor dem großen Ereignis, »wir fahren nach Viernheim, ich kenne dort einen Architekten. Man muß beizeiten überlegen, was man aus dem Haus machen kann.«
    So kam ich zum ersten Mal nach Hermann Grabers Tod wieder in die Villa. Die riesigen Zimmer im Erdgeschoß, die früher nicht benutzt und abgedunkelt worden waren, sahen plötzlich ganz anders aus: Dieter und Margot hatten die schweren schwarzen Möbel umgestellt und es sich dort gemütlich gemacht. Offensichtlich war Margot aus ihrem Souterrainzimmer in die herrschaftlichen Gemächer umgesiedelt. Ich sah es mit unguten Gefühlen.
    Der Architekt machte Vorschläge, wie man das alte Haus modernisieren und renovieren konnte, ohne es zu verschandeln. Ich wollte einen Wintergarten anbauen lassen. Aber bevor man beginne, müsse man sich klar sein, ob das Erdgeschoß als Praxis genutzt werde; man könne dann einen separaten Eingang planen. Levin sagte etwas tranig, er sei noch unentschlossen.
    Als der Architekt verschwunden war, holte Dieter Wein aus Hermann Grabers Keller. Da er unser Trauzeuge sei, müßten wir uns endlich duzen. Er trank mir zu: »Auf dich, Hella!«
    Man hatte mich überrumpelt; ich mußte jetzt auch zu Margot du sagen, von der ich mich bis dahin mit »Frau Moormann« hatte ansprechen lassen. Ich war verdrossen und schalt mich selbst, schließlich hatte ich meine Eltern immer wegen ihres Hochmuts kritisiert.
    »Es paßt mir gar nicht«, sagte ich auf der Rückfahrt zu Levin, »daß deine Leute das Viernheimer Haus besetzt haben; meine Eltern und deine Mutter hätten dort übernachten können.«
    »Ich habe meine Mutter gar nicht erreicht«, sagte Levin.
    Das

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