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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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blicken, aber im oberen Stock hörte man es hin und her gehen, Wasser lief, es wurde wohl gebadet und ausgepackt.
    Pawel hatte sofort verstanden, als er den Porsche sah. Aber er deutete nur hinter Almas Rücken fragend nach oben. Ich nickte bestätigend.
    Alma wirkte von der Fahrt sichtlich angestrengt. Sie legte sich unverzüglich in die Hängematte und ließ sich von den Kindern schaukeln, Tamerlan lag auf ihr. Ich sah das hübsche Bild mit Abscheu. Im übrigen durfte ich Alma Abführtee ans Lager bringen. Pawel bat mich, seiner Frau das Du anzubieten.
    Als wir beim Essen saßen, klopfte es, und gleichzeitig ging die Tür auf. Levin und der Neue trampelten herein. Sie warfen ein Hallo in die Runde und starrten aufdringlich die dampfenden Klöße und das Gulasch an. Levin fragte: »Könntest du uns vielleicht ein paar Scheiben Brot leihen?«
    Wie immer hatte ich reichlich gekocht. Gerade wollte ich Gastfreundschaft heucheln, als mir Pawel einen warnenden Blick zuwarf. Ich stand auf, um Brot aus der Speisekammer zu holen.
    In diesem Moment sagte Alma, ganz die hebenswürdige Gastgeberin: »Nehmen Sie doch Platz, es ist genug für alle da. Pawel, bist du so lieb und holst noch zwei Teller und Besteck?«
    Noch bevor ich wieder zum Sitzen kam, hatte Levin Stühle herbeigezogen und Teller aus dem Schrank geholt, denn Pawel machte keine Anstalten, sich zu erheben.
    Sie waren hungrig und bester Laune. Die matte Alma blühte auf, die Kinder wurden albern und ferkelten auf meinem weißen Tischtuch herum.
    Levin blickte öfters neugierig, vielleicht sogar wehmütig, im Wintergarten umher. Meinen Bauch schien er zu übersehen, die Untermieter ohne Verwunderung hinzunehmen, Pawels Einsilbigkeit zu ignorieren.
    Kaum hatten wir den letzten Bissen geschluckt, als Pawel aufsprang und Alma und mich ziemlich autoritär in die Betten verwies - wir brauchten einen Mittagsschlaf -, während er unter Beistand der Kinder die Küche aufräumen wollte. Die Gäste fühlten sich verabschiedet.
    Ich ging ohne ein Wort hinaus, auf Auseinandersetzungen - egal mit wem über wen - verspürte ich keine Lust.

    »Wie glänzen Auge und Flur«, sagte Pawel, als wir später im Garten Kaffee tranken.
    Alma sah auf meinen Bauch und fragte: »Welcher von den beiden Kavalieren ist der Vater?«
Pawel und ich wechselten einen belustigten Blick. »Der Lange, er heißt Levin«, antwortete Pawel für mich.
Almas Interesse an der Umwelt beschränkte sich zum Glück auf diesen Punkt; daß mein Ehemann in einer separaten Wohnung lebte, war ihr nicht aufgefallen. Sie blickte mit müden Augen über die blühende Wiese (der frühere Rasen von Hermann Graber war verwildert) und schien Kaffee, Sonne und Freiheit zu genießen. Ihre weiße Hand lag kraftlos auf Pawels Arm, ich sah es ungern. Zu allem Übel schien sich auch noch mein undurchschaubarer Kater für sie zu interessieren, er lag behaglich auf ihrem Schoß, schnurrte aber nicht, sondern blinzelte wachsam in die Runde.
Plötzlich kam Lene angestolpert, atemlos schluchzend: »Der Kolja!«
Pawel und ich sprangen auf und rannten in die Richtung, in die Lenes Händchen zeigte. Das Lama rührte sich nicht.
Kolja war vom Baum gefallen. Eine Platzwunde am Kopf blutete zwar, schien aber ungefährlich zu sein. »Ich brauche ein Pflaster«, sagte der gute Junge.
Pawel trug ihn ins Haus, ich schnitt ein Büschel Haare ab und drückte ein sauberes Küchentuch auf die verletzte Stelle.
Pawel entschied, daß die klaffende Wunde genäht werden müsse. Ich legte einen Verband an, er fuhr mit dem Sohn zum Krankenhaus.
Lene hatte laut weinend beim Verarzten zugesehen, nun nahm ich sie tröstend auf den Arm und begab mich wieder zu unserem sonnigen Gartenplatz. Es irritierte mich, daß sich Alma überhaupt nicht um Koljas Unfall kümmerte. Aber sie saß nicht, wie erwartet, stoisch auf ihrem Rattanstuhl, sondern war verschwunden. Ich ging sofort auf die Suche, fand sie aber weder im Garten noch im Haus.
War Alma zu Pawel ins Auto geschlüpft?
Grübelnd setzte ich mich auf die Treppenstufen. Lene beruhigte sich allmählich, ich wollte das Kind nicht gleich wieder durch hektische Suchaktionen nervös machen. Doch sie fragte aus eigenem Antrieb: »Ist die Mama mitgefahren?«
»Ja«, behauptete ich.
Wie lange würde Pawel wegbleiben? Ich wußte, daß sich an arbeitsfreien Tagen eine stattliche Anzahl von Patienten im Wartezimmer der chirurgischen Ambulanz ansammelte - Fußballer, Hobbygärtner und schuldbewußte Väter, die ihren

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