Die Apothekerin
wieder vorzubeten.
Der Nachtdienst blieb mir wegen meiner fortschreitenden Schwangerschaft erspart. Aber zu Hause gab es keinerlei Hilfe, ich mußte meinen Müll selbst hinaustragen, die Treppen und Fenster meiner Wohnung putzen, die Einkäufe erledigen. Einzig der Garten wurde (wahrscheinlich von Dieter) in Ordnung gehalten. Ich engagierte eine Portugiesin, die einmal pro Woche zum Putzen kam. Womit Levin seine Tage verbrachte, wußte ich nicht; jedenfalls stand der Porsche auch nachts häufig nicht an seinem Platz.
Pawel fand keine geeignete Wohnung. Da Dieter vermutlich demnächst in eine Zelle umziehen mußte, spielte er immerhin mit dem Gedanken, bei mir einzuziehen. Ich spürte, daß ihm nicht ganz wohl war, als er schließlich einwilligte - nur als Übergangslösung. Den meisten Hausrat wollte er in einem Lagerhaus unterbringen.
Trotz meines Kugelbauches und meiner chronischen Müdigkeit half ich beim Packen und Räumen. Wenn Alma am Wochenende zu Besuch kam, sollte es keine grobe Arbeit geben, die sie reizbar machte. Ich begann, diese Frau um ihr ruhiges Plätzchen zu beneiden.
Am Umzugstag hatte Dorit Pawels Kinder zu sich geholt, während ich mir frei nahm und den Packern Anweisungen gab, in welche Zimmer die Möbelstücke gehörten. Pawel stand mir dabei treu im Wege. Jedes Kind bekam ein Mansardenzimmer, Pawel das Studierstübchen.
Erst am Abend merkte ich, daß ich mich restlos übernommen hatte. Ich schlief auf dem Sofa ein und war nicht zu wecken.
Am nächsten Tag mußte ich in die Apotheke, an ein gemütliches Frühstück noch ohne die Kinder war nicht zu denken.
»Woher hatte Alma ihre nostalgischen Klamotten ?« fragte die stets praktische Rosemarie.
»Von reichen Eltern mit einem schlechten Gewissen.« » Wir nähern uns langsam dem Happy-End«, sagte Rosemarie, »und es wird ja auch Zeit. Ständig geht mir das Sprichwort durch den Kopf: › Trautes Heim, Glück allein‹.« »Allein waren wir immerhin vorläufig: Dieter saß in der Strafanstalt, Levin ging auf Reisen. Bis auf die getrennten Schlafzimmer war alles, wie ich es mir erträumt hatte.«
19
»Ich wüßte einen schönen Vornamen«, sagte Rosemarie Hirte. Dabei hatte ich ihr verboten, über das Problem in meinem
Bauch zu sprechen. Sie ahnte allmählich, daß ich meine
eigenen Ängste durch Erzählen überspielte.
»Beim letzten Ultraschall war doch alles in Ordnung«,
beschwichtigte sie mich.
Sie konnte es nicht lassen, mein Verbot zu durchbrechen.
Dank Dr. Kaisers Indiskretionen wußte sie natürlich längst
Bescheid: Durch eine Anomalie der Placenta wurde der
Embryo nicht ausreichend versorgt; mein zweites Kind war für
sein Alter zu klein. Demnächst sollte die vorzeitige Geburt
eingeleitet werden, weil die Ernährung außerhalb meines
Körpers besser gewährleistet war.
»Welcher Name schwebt dir vor?«
Rosemarie lächelte. »Wie findest du ›Witold‹?«
»Aber es wird mit Sicherheit ein Mädchen. Und außerdem
soll es erst einmal…«
» Okay, lassen wir das. Weiter mit der Familienidylle.«
Pawel hatte Alma in der Klinik besucht, und sie bestand darauf, endlich wieder ein Wochenende bei den Kindern zu verbringen.
»Das kann ich dir kaum zumuten«, klagte Pawel.
Obgleich ich wirklich nicht scharf darauf war, die schwierige Alma zu beherbergen, sagte ich doch, großherzig, wie ich war: »Warum denn nicht, wenn sie so gerne möchte…«
Inzwischen war es wärmer geworden, im Garten blühte es. Die Kinder wollten draußen spielen; Pawel konnte Alma vielleicht weitgehend bei sich im Grünen behalten, so daß ich ein wenig Ruhe hatte und mich öfters hinlegen konnte. Ich brauchte Erholung. Doch es sollte ganz anders kommen. Ich saß mit den Kindern im Wintergarten und las ihnen Das häßliche Entlein vor, Pawel war losgefahren, um Alma abzuholen. Aber schon fünf Minuten später rief Lene: »Ein Auto! Der Papa kommt!«
Wir traten ans Fenster und sahen Levin und einen Fremden Koffer aus dem Porsche laden. Beide braungebrannt, in unpraktischen weißen Anzügen, wie junge Herren, die sich den Duft der großen weiten Welt unter die Achseln sprayen. Sie trugen überdies schräge Sonnenbrillen und verwegene Hüte, was vor allem Levin nicht stand. Er hatte ein zuhälterisches Grinsen aufgesetzt, das ich bisher nicht an ihm kannte. Ich seufzte und zog die Kinder vom Fenster weg, damit mein Ehemann nicht etwa dachte, er würde sehnlichst erwartet.
Später trafen Pawel und Alma ein. Die Globetrotter ließen sich zum Glück nicht
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