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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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kleinen Töchtern beim Turnen versehentlich den Arm ausgerenkt haben.
Alma ließ mir keine Ruhe. Von neuem trabte ich mit Lene an der Hand durchs Gebüsch, die Straße auf und ab, in den Keller, in alle Zimmer. Wir suchen die Katze, behauptete ich. Ungern klopfte ich schließlich hilfeheischend an Levins Wohnungstür. Schon als er aufmachte, hörte ich - unendlich erleichtert - eine Frauenstimme. Alma saß mit den beiden Kavalieren vorm Fernseher. »Ich wollte nur wissen…« begann ich.
»Setz dich zu uns«, sagte Levin, »wir sehen gerade ein Tennisturnier.«
Ich schüttelte den Kopf und ging wieder. Unten angekommen, machte ich mir Vorwürfe. Levin und sein Reisekamerad wußten nichts von Almas Psychose, hoffentlich gaben sie ihr keinen Alkohol. Hatte Levin nicht ein Whiskyglas in der Hand gehalten? Alma nahm Psychopharmaka.
    Nach anderthalb Stunden kam Pawel. Kolja zog freiwillig den Schlafanzug an und wollte ein wenig als kranker Held gefeiert werden. Er fragte nicht nach seiner Mutter.
    »Alma hockt oben vorm Fernseher«, sagte ich zu Pawel. Er sah mich nicht eben freundlich an und ging hinauf. Als er seine Frau wieder heruntergeholt hatte, war sie
    merklich aufgedreht. Lene erzählte unaufgefordert von Koljas Sturz. Seltsamerweise lachte die Mutter herzlich darüber, Pawel und ich sahen uns befremdet an.
    »Wann gibt’s Essen?« fragte Alma. Sie war es von der Klinik her gewöhnt, früh die letzte Mahlzeit einzunehmen und zeitig ins Bett zu gehen.
    Pawel ging in die Küche, ich deckte den Tisch.
»Falsch«, sagte Alma, »zwei Teller zuwenig.«
»Levin und sein Freund essen oben«, sagte ich entschieden,
    und ihr kamen die Tränen.
    Pawel streichelte sie wie ein Tierchen und verabreichte ihr drei verschiedene Tabletten, die sie gehorsam schluckte. Nach dem Essen ging sie brav zu Bett, während wir noch mit den Kindern beisammensaßen und uns zum fünften Mal Koljas Sturz schildern ließen.
    Als es Zeit zum Zubettgehen wurde, mußten wir uns abermals umsortieren. Ich zog ins Studierstübchen. Alma schlief bereits in meinem Ehebett, als die Kinder zu ihr schlüpften. Sie hatten das ferne Mansardenzimmer nie akzeptiert, das heute Pawel zufiel.
    Mitten in der Nacht wurde ich wach. Das Licht war an, und sie stand vor mir. Es war wie ein verlängerter Traum. Solche Wesen pflegen in Südstaatengeschichten von ihrer schwarzen Sklavin ins Bett gebracht zu werden: weiß und phlegmatisch, mit wallendem Haar, von der Nanny glänzend gebürstet.
    »Wo ist Pawel?« fragte sie und starrte das Bett an, als sei er unter meine Decke gekrochen. Zum ersten Mal entdeckte ich Mißtrauen in ihren Zügen.
    »Er liegt in Koljas Bett, in der Mansarde.« Sie setzte sich auf meine Liege. »Und wo schläft dein Mann?«
Schläfrig wies ich nach oben; Details gingen Alma nichts an.
»Schwul?« fragte sie heiter.
Ich schüttelte den Kopf und schloß demonstrativ die Augen.
Sie verstand und schickte sich zum Gehen an. »Übrigens - die Kavaliere sind überhaupt nicht langweilig«, waren ihre letzten törichten Worte.
Im Einschlafen dachte ich, daß »Desiree« ein passender Name für sie sei.
    Wir schliefen alle lange. Die Kinder standen schließlich zuerst auf und spielten draußen Fußball. Dabei hatte Kolja die nachdrückliche Order bekommen, sich ruhig zu verhalten. Müde stand ich auf, pfiff die Kinder herein, ging unter die Brause und überlegte dabei, ob es zum Frühstück ein Ei geben sollte.
    Morgen um diese Zeit bin ich sie wieder los, tröstete ich mich. Einen Mann und zwei Kinder zu bedienen ging noch an, aber ein verrücktes Frauenzimmer? Im übrigen kam sie mir verzogen und stinkfaul vor. Sie schien ihre Krankheit raffiniert zu nutzen, um weder Verantwortung noch einfache Arbeiten zu übernehmen, sondern um das angenehme Dasein eines verwöhnten Kindes zu führen.
    Pawel stand auch auf und half mir. »Ich hoffe, daß dieses Wochenende das erste und letzte ist, an dem sie hier ist«, sagte er. »Wir müssen eine andere Lösung finden.«
    Wie die Kinder trank Alma Kakao. Sie begann plötzlich ihren lädierten Sohn mit Rechenaufgaben zu quälen, die er anfangs mißmutig löste, dann aber verweigerte.
    »Laß ihn doch, es ist Sonntag«, sagte Pawel.
    Also legte sie sich mit Tamerlan wieder in die Hängematte und sah zu, wie wir abdeckten. Dann schlief sie ein. Ich wollte gern allein einen Spaziergang machen, aber Lene folgte mir.
    Als wir zurückkamen, fanden wir Kolja und Pawel vorm Fernseher, ein Trickfilm lief, und Lene war

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