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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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eingeschlafen bin, es kommt sicher von der Hormonspritze.«
    Vielleicht hatte sie ja recht. Ein wenig rührte sie mich, wie sie schuldbewußt ihre Erdbeermarmelade und den Würfelzucker auf meine Bettdecke warf.
    »Weißt du was«, schlug ich vor, »ich werde meine Tochter nach dir benennen; nicht mit deinem zweiten Namen - Thyra ist mir zu ausgefallen -, sondern die Hälfte von Rosemarie. «
    »Welche Hälfte?« fragte sie begeistert.
»Es wird eine kleine Marie.«
»Darauf müßte man eigentlich anstoßen!« Wir ließen die
    dicken Tassen aneinanderscheppern. Ein Schwaps Muckefuck, aufgeputscht mit Nescafe, traf ihren apricotfarbenen Ärmel.
    »Heute müssen wir aber zum Schluß kommen«, sagte sie, »ich nehme an, es gibt noch Tote.«
»Abwarten.«
    Zum Abendessen reichte ich Räucherlachs mit Dillsauce. »Meine Henkersmahlzeit«, sagte Alma und dachte wohl
an die bevorstehenden Anstaltssuppen.
Wieder ging sie als erste zu Bett, es folgten die Kinder. Gegen Mitternacht weckte mich ein gräßlicher Traum.
Genau konnte ich mich zwar nicht erinnern, aber es fing
harmlos an: Alma und Tamerlan (in Menschengröße) standen
Arm in Arm vor mir und sagten: »Wir wollen heiraten!«
Tamerlan trug hohe Stiefel, wie es sich für einen Kater
geziemt, dazu die Walt-Disney-Kostümierung als Robin Hood.
Alma gab ein leichenfarbenes Schneewittchen ab. »Gib mir
Tamerlan zum Manne, dann kannst du Pawel haben«, sagte sie,
und ich zeigte mich hoch erfreut über den guten Tausch. »Damit es auch gerecht zugeht«, fuhr sie fort, »habe ich dein
Kind als Zugabe genommen.«
Ich geriet in Panik und suchte mein Baby verzweifelt in
einem eisigen Wald voll toter Bäume.
»Wie in einem bösen Märchen!« stöhnte ich und versuchte,
wach zu werden. Ich stand sogar auf, ging in die Küche und
trank Milch, sah nach den Kindern - die mit Alma friedlich im
Ehebett schliefen - und blickte zum dunklen Fenster hinaus. Der Porsche bog in die Einfahrt ein: ›Zu spät, meine Herren‹,
dachte ich. Schließlich schlich ich in den Wintergarten. Pawel
lag in der Hängematte und las. Wir kuschelten uns aneinander.
Bis Tamerlan, der Türen öffnen konnte, vor uns stand und
einen winzigen Laut von sich gab. Ich blickte auf und sah
Alma im Spitzenhemd bewegungslos im dunklen Flur stehen. Pawel ließ mich sofort los und sprang hoch. »Was ist, kannst
du nicht schlafen?« fragte er ungeschickt.
Sie schaute uns mit einem weidwunden Ausdruck an und
verschwand wieder, ich übrigens auch. Noch mit
geschlossenen Augen sah ich die todtraurige Erscheinung vor
mir.
    Ein paar Stunden später - es mochte drei sein - wurde ich erneut geweckt. Der Kater sprang mir unsanft auf die Brust, was sonst nicht seine Art war. Ich strich ihm übers Fell. Im Grunde mochte Tamerlan keinen Besuch, außerdem übertrug sich meine Nervosität auf ihn. Er gab keine Ruhe, stupfte mich immer wieder an. Ich machte Licht und sah auf die Uhr. Plötzlich roch ich es und wurde putzmunter.
    Im Flur war der Qualm wesentlich intensiver, ich hustete und rannte in mein Schlafzimmer. Alma fehlte. Unsanft rüttelte ich die schlafenden Kinder. »Zieht euch an, aber fix«, befahl ich und war schon bei Pawel, der in der Hängematte eingeschlafen war.
    Er war sofort hellwach, hüllte die Kinder in Decken, brachte sie ins Auto und parkte es fünfzig Meter weiter auf der Straße. Inzwischen hatte ich über Notruf die Feuerwehr angefordert.
    Wenige Minuten später trommelte ich an Levins verschlossene Tür. Ich hörte, daß in den Mansarden ein Feuer tobte, das sich die Holztreppe hinunterzufressen begann. Pawel schrie nach Alma.
    Viel zu lange dauerte es, bis die Männer in Unterhosen an die Tür kamen. Alma war nicht bei ihnen. Ich brauchte nichts zu erklären.
    Erstaunlicherweise blieb Levin ruhig. »Der Qualm schadet dir«, sagte er, »du mußt sofort ins Freie. Wir kümmern uns um alles.« Er fuhr zuerst den Porsche und Dieters Mercedes aus der Einfahrt, damit die Feuerwehr einrücken konnte. Dann warf er Kleidungsstücke und Schuhe aus dem Fenster.
    Daß mein Schmuck, meine Fotoalben und sogar Bücher und einiges an Erinnerungsgegenständen gerettet wurde, verdanke ich Levins Reisefreund. Er hatte in unglaublicher Geschwindigkeit die richtige Wahl getroffen und alles in einer Plastikwanne und zwei Koffern hinausgetragen, noch bevor die Löschwagen eintrafen.
    Die Feuerwehrmänner fragten, ob Personen vermißt würden, und betraten mit schwerem Atemschutzgerät das Haus. Die Paneele, das Parkett, die

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