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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Schon veränderten die schwingenden Arme das Feld im Umkreis der
Blase, berührten mit zärtlichen Quantenfingern die Grenze
und regten sie zur Expansion an. Die zitternde Blase durchlief eine
Reihe von einseitigen Schüben und blähte sich auf. Sie
vergrößerte sich in logarithmischen Sprüngen, aber
bei weitem nicht schnell genug. Skade erkannte sofort, dass etwas
nicht stimmte. Die Expansion hätte so schnell erfolgen
müssen, dass sie selbst bei beschleunigtem Bewusstsein nicht
wahrnehmbar war. Inzwischen müsste die Blase das Schiff bereits
umschließen, stattdessen hatte sie erst die Größe
einer Grapefruit und verharrte, eine grässliche Karikatur,
innerhalb der schwenkenden Arme. Skade hoffte, sie würde wieder
auf Bakteriengröße schrumpfen, wusste aber von Molenka,
dass eine unkontrollierte Expansion wahrscheinlicher war. Entsetzt
und fasziniert zugleich beobachtete sie, wie sich die
grapefruitgroße Blase in krampfartigen Wellen verformte, zuerst
erdnussförmig wurde und sich dann zum Torus schloss. Molenka
hätte eine solche Veränderung der Topologie für
unmöglich erklärt. Die Blase kehrte wieder zur Kugelform
zurück. Die Oberfläche der Membran stülpte sich aus
und dellte sich ein, bis Skade fest überzeugt war, ein
höhnisches Grinsen zu erkennen. Natürlich ließ ihr
Unterbewusstsein nur Muster entstehen, wo keine existierten, aber sie
konnte sich nicht von dem Eindruck befreien, dass hier die Fratze des
Bösen sichtbar würde.
    Die Blase expandierte abermals, bis sie die Größe eines
kleinen Raumschiffs erreichte. Einige von den Armen wichen nicht
rechtzeitig aus und durchstießen mit ihren scharfen Spitzen die
wogende Membran. Die Sensoren konnten den Sturzbach von
gravitationellen und Teilchenströmen nicht mehr verarbeiten und
schalteten sich ab. Unaufhaltsam geriet alles außer Kontrolle.
Im hinteren Teil der Nachtschatten fielen wichtige
Steuerungssysteme aus. Die Arme begannen krampfhaft zu zucken und
prallten gegeneinander wie die Gliedmaßen von Tänzern, die
aus dem Takt geraten waren. Knötchen und andere Anhängsel
wurden abrasiert. Zwischen der Membran und den Maschinen wogten
glühende Plasmabahnen. Wieder dehnte sich die Blase aus und
verschlang kubikhektarweise die Hilfsmaschinen. Die Anlage war am
Ende ihrer Kräfte und konnte die Stabilität nicht mehr
gewährleisten. Im Innern der Blase kam es zu schwachen
Explosionen. Ein größerer Sensenarm löste sich und
krachte gegen den Rumpf der Nachtschatten. Skade spürte,
wie eine Kette von Detonationen über das ganze Schiff raste. Ein
Wasserfall von rosa Blüten stürzte auf die Brücke zu.
Ihre schöne Anlage riss sich selbst in Stücke. Die Blase
wurde noch größer und quoll zwischen den geknickten und
abrasierten Armen der Abschirmung hindurch. Alarmsirenen
quäkten, im Innern des Schiffes schlugen krachend die Schotts
zu. Das Herz der Blase wurde weißglühend, als ein Teil der
Materie in den photonischen Zustand überging. Ein katastrophaler
Rückfall des Quantenvakuums in den Zustand drei, wo alle Materie
ohne Masse war…
    Der photo-leptonische Blitz schoss durch die Membran. Die letzten
noch funktionsfähigen Arme wurden zurückgebogen wie
gebrochene Finger. Plasma entlud sich mit kurzem, heftigem Zischen,
dann wurde die Blase größer, verschlang die Nachtschatten und löste sich zugleich auf. Skade
spürte, wie sie durch sie hindurchging wie ein eisiger Wind an
einem warmen Tag. Gleichzeitig erschütterte eine Schockwelle das
ganze Schiff. Sie wurde gegen eine Wand geschleudert. Normalerweise
hätte sich das Metall verformt, um die Aufprallenergie zu
absorbieren, doch diesmal blieb es unerbittlich hart.
    Aber das Schiff war noch da. Skade konnte denken. Sie hörte
immer noch Sirenen und Katastrophenwarnungen, weitere Schotts
schlugen zu. Aber der Zustandsübergang war vorbei. Die Blase war
zerplatzt, ihr Schiff war schwer, vielleicht sogar irreparabel
beschädigt, aber es war nicht zerstört worden.
    Skade fuhr ihre Denkprozesse auf normale Arbeitsgeschwindigkeit
zurück. Ihr Mähnenkamm pulsierte, um die
überschüssige Wärme abzuleiten – sie fühlte
sich schwindlig – aber das würde bald vorübergehen.
Verletzt war sie offenbar nicht, ihre Rüstung hatte selbst den
heftigen Zusammenstoß mit der Wand unbeschadet überstanden
und gehorchte ihrem Willen. Skade fasste in einen Haltegriff und zog
sich in die Mitte des Korridors. Sie war schwerelos, denn die Nachtschatten trieb ohne Antrieb dahin und war

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