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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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mit der
Inquisitorin aufnahm. Sein Avionik-Programm wusste den
Radarsuchgeräten der Regierung auszuweichen, dennoch gebot die
Vorsicht, solche Ausflüge auf ein Minimum zu beschränken.
Wenn sie gefasst würden, wenn auch nur der Verdacht
entstünde, dass ein Raumschiff ganz selbstverständlich in
Resurgams Atmosphäre ein und aus flog, würden auf allen
Regierungsebenen die Köpfe rollen. Selbst wenn die
Inquisitionsbehörde nicht direkt in die Affäre verwickelt
werden sollte, wäre Khouris Position in höchstem Maße
gefährdet. Sobald man erst anfing, sich ausgiebig mit dem
Privatleben wichtiger Regierungsbeamter zu befassen, könnte
trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ans Licht kommen, woher sie
tatsächlich stammte.
    Um unbemerkt aufsteigen zu können, durften sie nur
mäßig Schub geben, aber sobald das Schiff die
Atmosphäre verlassen hatte und außer Reichweite der
Radarsuchgeräte war, beschleunigten die Triebwerke mit drei Ge,
und die beiden wurden hart in ihre Sitze gedrückt. Wenig
später überfiel Khouri eine tiefe Müdigkeit, doch
erst, als ihr schon die Augen zufielen, begriff sie, dass die
Fähre ein parfümiertes Betäubungsgas in die Luft
blies. Sie fiel in einen traumlosen Schlaf und war gelinde
empört, als sie endlich erwachte.
    Sie befand sich in einer völlig fremden Umgebung.
    »Wie lange waren wir weg?«, fragte sie Volyova, die
rauchend neben ihr saß.
    »Nicht ganz einen Tag. Du hast dir hoffentlich ein gutes
Alibi zurechtgelegt, Ana; wenn du nach Cuvier zurückkommst,
wirst du es brauchen.«
    »Ich habe gesagt, ich müsste in die Wildnis, um mit
einem Undercover-Agenten zu sprechen. Keine Sorge; ich hatte für
diesen Fall längst vorgesorgt. Ich wusste ja schon immer, dass
irgendwann einmal eine längere Abwesenheit nötig sein
würde.« Khouri löste die Sitzgurte – die
Fähre beschleunigte nicht mehr – und versuchte, eine
juckende Stelle weit unten am Rücken zu erreichen. »Gibt es
da, wo wir hinfliegen, vielleicht eine Dusche?«
    »Kommt darauf an. Was glaubst du denn, wo wir
hinfliegen?«
    »Sagen wir, ich habe den hässlichen Verdacht, dass ich
schon einmal dort war.«
    Volyova drückte ihre Zigarette aus und ließ die
Vorderpartie des Schiffsrumpfs transparent werden. Sie befanden sich
tief im interplanetaren Raum, noch innerhalb der ekliptischen Ebene,
aber etliche Lichtminuten von jeder Welt entfernt. Dennoch versperrte
ihnen etwas den Blick auf die Sterne.
    »Da ist sie, Ana. Die gute alte Sehnsucht nach
Unendlichkeit. Immer noch mehr oder weniger so, wie du sie
verlassen hast.«
    »Vielen Dank. Noch ein paar aufmunternde Worte, wenn du schon
dabei bist?«
    »Als ich das letzte Mal dort war, haben die Duschen nicht
funktioniert.«
    »Als du das letzte Mal dort warst?«
    Volyova zögerte und schnalzte mit der Zunge. »Schnall
dich an. Ich bringe uns rein.«
    Sie schossen auf das schwarze Ungetüm zu. Khouri erinnerte
sich an ihren ersten Anflug auf das Lichtschiff. Es war im Epsilon
Eridani-System gewesen, und man hatte sie mit einem Trick an Bord
gelockt. Damals hatte das Schiff noch halbwegs normal ausgesehen,
etwa so, wie man es von einem großen Handelsschiff mittleren
Alters erwartete. Auf dem Rumpf hatten jedenfalls weder diese grotesk
vorspringenden Wucherungen, noch die messerscharfen Dolchspitzen oder
die geknickten Türmchen geprangt, er war überwiegend glatt
gewesen – hier und dort ein wenig abgeschabt und rau oder
unterbrochen von Instrumenten, Sensorkapseln und Eintrittsluken
–, aber in keiner Weise beunruhigend oder auch nur
bemerkenswert. Auch die großen Flächen mit
Echsenhautstruktur und die übereinander geschichteten Schuppen,
die an getrockneten Schlamm erinnerten, waren neueren Datums. Zu
jener Zeit hatte nichts darauf hingewiesen, dass im Untergrund
wirkende biologische Imperative irgendwann die Oberfläche
durchstoßen und eine Orgie von biomechanischen Transformationen
auslösen würden.
    Jetzt sah das Schiff kaum noch aus wie ein Schiff. Am ehesten,
dachte Khouri, ähnelte es noch einem grotesken
Märchenschloss, einem einstmals prächtigen Palast mit
Türmchen, Verliesen und Erkern, der durch einen bösen
Zauber zu einem Zerrbild seiner selbst geworden war. Die Grundform
des Raumschiffs, der langgestreckte Rumpf und die beiden
Triebwerkszellen, jede größer als der Hangar eines
Frachtluftschiffs, war noch andeutungsweise zu erkennen, doch dieser
nüchtern-funktionelle Kern war in letzter Zeit fast völlig
von barocken Wachstumsschichten

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