Die Arena
von seiner sonstigen unbeschwerten Art entfernt zu sein.
»Haben die Männer, die sie vergewaltigt haben, auch dem Kleinen wehgetan?« Pipers Stimme blieb ruhig, aber in ihrem Verstand öffnete sich ein schmaler roter Spalt.
»Little Walter? Er ist nur hingefallen, denke ich«, sagte Twitch. »Sammy hat irgendwas davon gemurmelt, sein Bettchen sei zusammengebrochen. Sie hat sich nicht sehr verständlich ausgedrückt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das ein Unfall war. Zumindest dieser Teil.«
Piper betrachtete ihn nachdenklich. »Das hat sie also gemeint. Ich dachte, sie wollte etwas Wasser.«
»Sammy wollte bestimmt auch Wasser«, sagte Ginny, »aber ihr Baby heißt tatsächlich Little, erster Vorname, Walter, zweiter Vorname. Sie haben ihn nach einem Bluesharmonikaspieler genannt, glaube ich. Phil und sie ... « Ginny tat so, als zöge sie an einem Joint und hielt die Luft mit dem inhalierten Rauch an.
»Oh, Phil hat viel mehr getan, als nur zu rauchen«, sagte Twitch. »Was Drogen angeht, war Phil Bushey wirklich vielseitig.«
»Ist er tot?«, fragte Piper.
Twitch zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn seit dem Frühjahr nicht mehr gesehen. Falls ja, sind wir ihn wenigstens los!« Piper sah ihn vorwurfsvoll an.
Twitch nickte verlegen. »Entschuldigung, Rev.« Er wandte sich an Ginny. »Weißt du, wo Rusty steckt?«
»Er musste mal weg«, sagte sie, »und ich habe ihm gesagt, dass er gehen kann. Aber er kommt bestimmt bald zurück.«
Piper saß äußerlich ganz ruhig zwischen ihnen. In ihrem Inneren wurde der rote Spalt breiter. Sie hatte einen sauren Geschmack im Mund. Sie erinnerte sich an einen Abend, an dem ihr Vater ihr verboten hatte, zur Skate Scene im Einkaufszentrum zu gehen, weil sie etwas Freches zu ihrer Mutter gesagt hatte (als Teenager hatte Piper Libby freche Bemerkungen nur so hervorgesprudelt). Sie war nach oben gegangen, hatte die Freundin angerufen, mit der sie verabredet gewesen war, und dieser Freundin erklärt - mit ganz freundlicher, völlig gleichmäßiger Stimme -, ihr sei etwas dazwischengekommen und sie könnten sich nun leider doch nicht treffen. Nächstes Wochenende? Klar doch, mh-hm, sicher, viel Spaß, nein, mir geht's gut, b'bye. Dann hatte sie ihr Zimmer verwüstet. Ganz zum Schluss riss sie ihr geliebtes Oasis-Poster von der Wand und zerfetzte es. Unterdessen weinte sie heiser nicht vor Kummer, sondern in einem der Wutanfälle, die wie Hurrikane der Stärke fünf durch ihre Teenagerzeit getobt hatten. Irgendwann während dieser Gewaltorgie kam ihr Vater herauf, blieb in der Tür stehen und beobachtete sie. Als sie ihn endlich dort stehen sah, starrte sie trotzig zurück: keuchend und mit dem Bewusstsein, wie sehr sie ihn hasste. Wie sehr sie beide hasste. Wenn sie tot waren, würde sie zu ihrer Tante Ruth nach New York ziehen. Tante Ruth wusste, wie man sich amüsierte. Anders als gewisse Leute. Er hatte besänftigend die flachen, ihr zugekehrten Hände gehoben. Das war eine irgendwie demütige Geste gewesen, die ihren Zorn sofort besänftigt und ihr fast das Herz gebrochen hatte.
Wenn du dein Temperament nicht beherrschst, beherrscht dein Temperament dich, hatte er gesagt, bevor er sie stehen ließ und mit gesenktem Kopf den Flur entlang davonging. Sie hatte die Tür nicht hinter ihm zugeknallt. Sie hatte sie ganz leise geschlossen.
Das war das Jahr gewesen, in dem sie ihr oft aufbrausendes Temperament zu ihrer obersten Priorität gemacht hatte. Es ganz zu unterdrücken, hätte bedeutet, einen Teil ihrer Persönlichkeit zu unterdrücken, aber sie erkannte, dass ein wichtiger Teil von ihr lange, sehr lange fünfzehn bleiben würde, wenn sie nicht einige grundlegende Veränderungen vornahm. Sie fing an, sich um Selbstbeherrschung zu bemühen, und war damit meistens erfolgreich. Jedes Mal, wenn sie spürte, dass sie die Beherrschung zu verlieren drohte, dachte sie daran, was ihr Vater gesagt hatte, und erinnerte sich an jene beschwichtigende Geste, bevor er langsam über den Flur ihres Elternhauses davongegangen war. Neun Jahre später hatte sie bei seiner Beerdigung gesprochen und gesagt:
Meinem Vater verdanke ich die wichtigste Lektion meines Lebens. Sie hatte nicht gesagt, wie sie lautete, aber ihre Mutter hatte es gewusst; sie hatte vorn in der ersten Bank der Kirche gesessen, in der ihre Tochter jetzt Pastorin war.
Wenn sie in den vergangenen zwanzig Jahren den Drang verspürt hatte, gegen jemanden ausfällig zu werden - und dieser Drang war oft fast
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