Die Arena
einfach.«
»Eines Tages, als wir ... wieder mal dabei waren ... ist mir klar geworden, dass auch Ameisen ihr kleines Leben haben. Ich weiß, dass das wie sentimentales Gesülze klingt ... «
»Millionen von Menschen in aller Welt glauben genau das«, sagte Barbie. »Und leben danach.«
»Jedenfalls habe ich mir gesagt: >Wir tun ihnen weh. Wir verbrennen sie, rösten sie vielleicht lebend in ihren unterirdischen Behausungen.< Was mit denen passierte, die direkt unter Georgies Vergrößerungsglas gerieten, stand außer Zweifel. Manche haben nur aufgehört, sich zu bewegen, aber die meisten sind tatsächlich in Flammen aufgegangen.«
»Furchtbar«, sagte Lissa. Sie spielte wieder nervös mit ihrem Anch-Amulett.
»Allerdings. An diesem Tag habe ich Georgie aufgefordert, das nicht mehr zu machen. Aber er wollte nicht. Er hat gesagt: >Das ist der Addomkrieg.< Daran erinnere ich mich genau. Nicht Atom krieg, sondern Addomkrieg. Ich habe versucht, ihm das Brennglas wegzunehmen. Im nächsten Augenblick haben wir uns geprügelt, und dabei ist sein Vergrößerungsglas zu Bruch gegangen.«
Er machte eine Pause. »Das stimmt so nicht, obwohl ich das damals behauptet habe. Dabei bin ich auch geblieben, als mein Vater die Wahrheit aus mir herausprügeln wollte. Was George sei nen Eltern erzählt hat, entsprach der Wahrheit: Ich habe das gottverdammte Ding absichtlich kaputt gemacht.« Er zeigte in die Dunkelheit. »Genau wie ich diesen Kasten zerstören würde, wenn ich könnte. Weil jetzt wir die Ameisen sind - und er das Brennglas.«
Ernie dachte erneut an die Katze mit dem brennenden Schwanz.
Claire McClatchey erinnerte sich, wie sie in der dritten Klasse mit ihrer damaligen besten Freundin auf einem heulenden Mädchen gesessen hatte, das sie beide hassten. Das Mädchen war neu an ihrer Schule und sprach mit einem komischen Südstaatenakzent, als hätte es den Mund voll Kartoffelbrei. Je lauter die Neue geheult hatte, desto mehr hatten sie gelacht. Romeo Burpee dachte daran, wie er sich an dem Abend, an dem Hillary Clinton in New Hampshire geweint hatte, betrunken hatte, wie er dem Fernseher zugeprostet und ausgerufen hatte: »Auf dich, du gottverdammte Heulsuse, mach jetzt Platz und überlass die Männerarbeit einem Mann!«
Barbie erinnerte sich an eine bestimmte Turnhalle: die Wüstenhitze, der Fäkaliengestank und das laute Lachen.
»Ich will ihn mir selbst ansehen«, sagte er. »Wer begleitet mich?«
Rusty seufzte. »Ich komme mit.«
5
Während Barbie und Rusty sich dem Kasten mit dem rätselhaften Symbol und dem pulsierenden hellen Licht näherten, war Stadtverordneter James Rennie in der Zelle, in der Barbie bis heute Abend inhaftiert gewesen war.
Carter Thibodeau hatte ihm geholfen, Juniors Leiche auf die Koje zu heben. »Lass mich mit ihm allein«, sagte Big Jim.
»Boss, ich weiß, wie schlimm das alles für Sie sein muss, aber es gibt hundert Dinge, um die Sie sich sofort kümmern sollten.«
»Das weiß ich recht gut. Und ich werde mich um sie kümmern. Aber zuvor brauche ich etwas Zeit mit meinem Sohn. Fünf Minuten. Dann kannst du ein paar der Jungs zusammentrommeln, damit sie ihn ins Bestattungsinstitut bringen.«
»Wird gemacht. Mein Beileid, Boss. Junior war ein guter Kerl.«
»Nein, das war er nicht«, sagte Big Jim. Er sprach in einem milden Ich-will-nichts-beschönigen-Tonfall. »Aber er war mein Sohn, und ich habe ihn geliebt. Und das hier ist nicht nur schlecht, weißt du.«
Carter überlegte. »Ja, ich weiß.«
Big Jim lächelte. »Ich weiß, dass du's weißt. Ich fange an, dich für den Sohn zu halten, den ich hätte haben sollen.«
Carters Gesicht war vor Freude gerötet, als er die Treppe zum Bereitschaftsraum hinauf trabte.
Als er gegangen war, setzte Big Jim sich auf die Koje und bettete Juniors Kopf in seinen Schoß. Das Gesicht des Jungen war nicht entstellt, und Carter hatte ihm die Augen geschlossen. Wenn man über das auf seiner Hemdbrust antrocknende Blut hinwegsah, konnte man ihn für schlafend halten.
Er war mein Sohn, und ich habe ihn geliebt.
Das war die Wahrheit. Er war bereit gewesen, Junior zu opfern, ja, aber dafür gab es Präzedenzfälle; man brauchte sich nur anzusehen, was auf dem Kalvarienberg geschehen war. Und wie Christus war der Junge für eine gerechte Sache gestorben. Alle Schäden, die Andrea Grinnell mit ihren haltlosen Vorwürfen angerichtet hatte, würden vergessen sein, wenn die Stadt erfuhr, dass Barbie mehrere pflichtbewusste
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