Die Arena
Mai-Dezember-Romanzen; in dieser Beziehung war sie altmodisch. Sie hätte Carolyn Sturges und Marshall ohnehin bestenfalls zwei Jahre gegeben, vielleicht auch nur ein halbes Jahr - wie lange die sexuelle Anziehung zwischen ihnen eben vorhielt -, aber heute Abend konnte es keinen Zweifel an der Liebe dieses Mannes geben. Oder an seinem Schmerz.
Was immer sie hatten, haben diese Kinder vertieft, dachte sie.
Und auch der Dome. Das Leben unter der Kuppel intensivierte alles. Linda hatte bereits das Gefühl, nicht seit Tagen, sondern seit Jahren unter ihr zu leben. Die Außenwelt begann wie ein Traum nach dem Aufwachen zu verblassen.
»Kommen Sie herein«, sagte sie. »Aber seien Sie leise, Mr. Marshall. Die Kinder schlafen. Meine und Ihre.«
9
Sie servierte ihm Sonnentee - nicht kalt, nicht einmal besonders kühl, aber das Beste, was sie unter den Umständen zu bieten hatte. Er trank sein Glas halb aus, dann stellte er es ab und rieb sich die Augen mit den Fäusten wie ein Kind, das die gewohnte Schlafenszeit weit überschritten hat. Linda erkannte, was dahintersteckte -der Versuch, seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen-, und wartete schweigend ab.
Marshall holte tief Luft, atmete langsam aus und griff dann in die Brusttasche seines alten blauen Arbeitshemds. Er zog ein Lederband heraus, mit dem er sich die Haare zusammenband. Das hielt sie für ein gutes Zeichen.
»Erzählen Sie mir, was passiert ist«, sagte Thurse. »Und wie es passiert ist.«
»Ich habe nicht alles gesehen. Irgendjemand hat gewaltig gegen meinen Hinterkopf getreten, während ich versucht habe, Ihre ... Caro ... zur Seite zu ziehen.«
»Aber einer der Cops hat sie erschossen, nicht wahr? Einer der Cops dieser gottverdammt polizeifrommen, waffennärrischen Stadt.«
»Ja.« Sie griff über den Tisch und nahm seine Hand. »Irgendjemand hat Waffe! gerufen. Und es gab eine Waffe. Sie hat Andrea Grinnell gehört. Ich vermute, dass sie die Waffe zur Bürgerversammlung mitgebracht hat, um Rennie zu erschießen.«
»Finden Sie, das rechtfertigt, was Caro zugestoßen ist?«
»Gott, nein. Und was Andi zugestoßen ist, war glatter Mord.« »Caro ist gestorben, weil sie die Kinder beschützen wollte, hab ich Recht?«
»Ja.«
»Kinder, die nicht mal ihre eigenen waren.« Linda sagte nichts.
»Nur waren sie das. Ihre und meine. Das Kriegsgeschick - oder ein Kuppelgeschick - hat es so gefügt, dass sie uns gehörten: die Kinder, die wir sonst niemals hätten haben können. Und bis die Kuppel verschwindet - falls sie das jemals tut - gehören sie mir.«
Linda überlegte fieberhaft. War dieser Mann vertrauenswürdig? Vermutlich. Rusty hatte ihm jedenfalls vertraut; er hatte gesagt, für jemanden, der so lange keine Praxis mehr gehabt habe, sei der Mann ein verdammt guter Krankenpfleger. Und Thurston hasste die Leute, die hier unter dem Dome an der Macht waren. Er hatte allen Grund dazu.
»Mrs. Everett ... « »Linda, bitte.«
»Linda, dürfte ich bei Ihnen auf der Couch schlafen? Ich möchte hier sein, falls sie nachts aufwachen. Schlafen sie durch, was ich hoffe, möchte ich, dass sie mich sehen, wenn sie morgen früh die Treppe herunterkommen.«
»Gern. Dann können wir miteinander frühstücken. Es gibt Cornflakes und Müsli. Noch ist die Milch nicht sauer, auch wenn sie bestimmt bald kippt.«
»Das klingt gut. Wenn die Kids gegessen haben, wollen wir Sie nicht weiter stören. Wenn Sie von hier sind, müssen Sie entschuldigen, wenn ich das sage, aber ich habe von Chester's Mill die Nase voll. Ich kann mich nicht ganz davon entfernen, aber ich werde mein Bestes versuchen. Im Krankenhaus war der einzige wirklich schwerkranke Patient Rennies Sohn, aber der hat es heute Nachmittag verlassen. Er wird zurückkommen, die in seinem Kopf wuchernde Geschwulst wird ihn dazu zwingen, aber vorerst ... «
»Er ist tot.«
Thurston wirkte nicht sonderlich überrascht. »Nach einem Anfall, wie ich annehme.«
»Nein. Erschossen. Im Gefängnis.«
»Ich würde gern sagen, dass mir das leid tut, aber das wäre gelogen.«
»Mir tut es auch nicht leid«, sagte Linda. Sie wusste nicht sicher, was Junior dort gemacht hatte, aber sie konnte sich gut vor
stellen, wie der trauernde Vater seinen gewaltsamen Tod ausschlachten würde.
»Ich nehme die Kinder mit in mein Blockhaus am See, in dem Caro und ich waren, als das alles passiert ist. Dort draußen ist es ruhig, und ich finde bestimmt genügend Lebensmittel, von denen wir eine Zeit lang leben
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