Die Arena
wenn's nicht unbedingt ...
»Mr. Barbara?« Das war eine Frauenstimme. »Barbie? Sind Sie da drin?«
Er nahm die Hand vom Fernseher und trat aus der Kochnische. »Wer ist da?« Aber noch während er das fragte, erkannte er die Stimme.
»Julia Shumway. Ich habe eine Nachricht von jemandem, der Sie sprechen möchte. Ich soll Ihnen sagen, dass Ken Ihnen Grüße ausrichten lässt.«
Barbie öffnete die Tür und ließ sie ein.
6
In dem mit Kiefer getäfelten Besprechungsraum im Keller des Rathauses von Chester's Mill war das Röhren des hinter dem Gebäude stehenden Notstromaggregats (ein älteres Gerät von Kelvinator) kaum mehr als ein fernes Brummen. Der stattliche Tisch in der Raummitte bestand aus Rotahorn, auf Hochglanz poliert, und war gut dreieinhalb Meter lang. Die meisten der Stühle, die ihn umgaben, waren an diesem Abend unbesetzt. Die vier Teilnehmer an dieser Besprechung zur Notfall-Evaluation, wie Big Jim sie nannte, saßen alle an einem Ende zusammengedrängt. Obwohl er nur Zweiter Stadtverordneter war, saß Big Jim selbst am oberen Tischende. Hinter ihm zeigte ein Stadtplan die Sportsockenform der Kleinstadt.
Anwesend waren die Stadtverordneten und Peter Randolph, der kommissarische Polizeichef. Der Einzige, der hellwach zu sein schien, war Rennie. Randolph wirkte schockiert und ängstlich. Andy Sanders war natürlich von Schmerz benommen. Und Andrea Grinnell- eine übergewichtige, ergrauende Version ihrer jüngeren Schwester Rose - wirkte einfach nur benommen. Das war nichts Neues.
Vor vier oder fünf Jahren war Andrea an einem Januarmorgen auf dem Weg zum Briefkasten in ihrer vereisten Einfahrt ausgerutscht. Sie war so schwer gestürzt, dass sie sich zwei Rückenwirbel gebrochen hatte (fünfunddreißig bis vierzig Kilo Übergewicht waren vermutlich kein Vorteil gewesen). Gegen ihre zweifellos unerträglichen Schmerzen hatte Dr. Haskell ihr das neue Wundermittel Oxycontin verschrieben. Und er hatte es ihr seither immer wieder gegeben. Von seinem guten Freund Andy, der den hiesigen Drugstore führte, wusste Big Jim, dass Andrea mit einer Tagesdosis von vierzig Milligramm angefangen und sich zu schwindelerregenden vierhundert Milligramm hochgearbeitet hatte. Das waren nützliche Informationen.
Big Jim sagte: »Wegen Andys schwerem Verlust leite ich diese Besprechung, wenn niemand was dagegen hat. Tut uns allen sehr leid, Andy.«
»Und wie, Sir«, sagte Randolph.
»Danke«, sagte Andy, und als Andrea seine Hand kurz mit ihrer bedeckte, standen ihm gleich wieder Tränen in den Augen. »Nun, wir alle haben eine Vorstellung davon, was hier passiert ist«, sagte Big Jim, »obwohl noch niemand in unserer Stadt es bisher versteht ... «
»Außerhalb bestimmt auch niemand«, sagte Andrea.
Big Jim ignorierte sie. » ... und die militärische Präsenz es nicht für angebracht befunden hat, sich mit der gewählten Stadtspitze in Verbindung zu setzen.«
»Probleme mit den Telefonen, Sir«, sagte Randolph. Normalerweise nannte er alle diese Leute beim Vornamen - Big Jim betrachtete er sogar als Freund -, aber in diesem Raum hielt er es für klüger, bei Sir oder Ma'am zu bleiben. So hatte es auch Perkins gehalten, und zumindest in diesem Punkt hatte der alte Mann vermutlich Recht gehabt.
Big Jim winkte ab, als würde er eine lästige Fliege erschlagen. »Jemand hätte auf die Motton- oder Tarker's-Seite kommen und nach mir - uns - verlangen können. Aber das hat offenbar niemand für nötig gehalten.«
»Sir, die Situation ist noch sehr ... äh, im Fluss.«
»Natürlich, natürlich. Und es ist durchaus denkbar, dass man uns nur aus diesem Grund noch nicht ins Bild gesetzt hat. Könnte sein, 0 ja, und ich bete, dass das die Antwort ist. Ich hoffe, dass ihr alle gebetet habt.«
Sie nickten pflichtbewusst.
»Aber gegenwärtig ... « Big Jim sah sich ernst um. Ihm war ernst zumute. Aber er fühlte auch den Nervenkitzel. Fühlte sich bereit. Er hielt es für nicht undenkbar, dass noch vor Ablauf dieses Jahres sein Foto auf dem Titelblatt der Zeitschrift Time prangen würde. Katastrophen - vor allem von Terroristen ausgelöste - waren nicht immer nur schlecht. Man brauchte sich bloß anzusehen, wie Rudy Giuliani davon profitiert hatte. »Gegenwärtig, Lady und Gentlemen, müssen wir der sehr realen Möglichkeit ins Auge blicken, dass wir auf uns allein gestellt sind.«
Andrea bedeckte ihren Mund mit der Hand. Ihre Augen glitzerten von Angst oder zu viel Dope. Vermutlich von beidem. »Ganz bestimmt
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