Die Arena
erinnern, wann sie zuletzt auf den Bildschirm dieses Computers geblickt hatte, aber sie wusste es nicht.
VADER, so lautete der Dateiname.
Nun, in The Mill gab es nur einen Menschen, den Howie Vader - wie in Darth Vader - nannte: Big Jim Rennie.
Brenda verschob neugierig den Cursorpfeil, doppelklickte auf die Datei und fragte sich, ob sie wohl passwortgeschützt war.
War sie. Sie versuchte es mit WILDCATS, mit dem sich die Datei AKTUELL öffnen ließ (bei GERICHT hatte Howie sich diese Mühe gespart), und es funktionierte. Die Datei enthielt zwei Dokumente. Eines trug den Namen LAUFENDE ERMITTLUNGEN. Die andere war eine PDF-Datei mit dem Namen SCHREIBEN VON JMSM. In Howie-Sprache bedeutete das Justizminister des Staates Maine. Sie klickte darauf.
Während die Tränen auf ihren Wangen trockneten, las Brenda des Schreiben des Justizministers mit wachsendem Erstaunen. Es begann schon mit der Anrede: nicht Lieber Chief Perkins, sondern Lieber Duke.
Obwohl das Schreiben statt in Howie-Sprache in JuristenSprache abgefasst war, sprangen ihr einzelne Sätze wie fettgedruckt ins Auge. Veruntreuung von städtischen Geldern und Sachleistungen war der erste.
Dass Stadtverordneter Sanders dabei die treibende Kraft war, scheint außer Zweifel zu stehen, war der nächste.
Und dann: Diese Straftaten sind weit schwerwiegender, als wir noch vor einem Vierteljahr für möglich gehalten hätten.
Und ziemlich weit unten nicht nur in Fettdruck, sondern auch in Großbuchstaben: HERSTELLUNG UND VERKAUF VON ILLEGALEN DROGEN.
Ihr Gebet schien beantwortet worden zu sein, wenn auch auf völlig unerwartete Weise. Brenda setzte sich auf Howies Schreibtischstuhl, klickte in der VADER-Datei LAUFENDE ERMITTLUNGEN an und ließ ihren verstorbenen Mann zu sich sprechen.
7
Die Ansprache des Präsidenten - viel tröstliche Worte, wenig Information - war um 0:21 Uhr zu Ende. Rusty Evans, der sie sich in der Lounge im zweiten Stock des Krankenhauses angesehen hatte, sah noch einmal die Krankenblätter durch und fuhr dann nach Hause. Seit er im Heilberuf tätig war, war er schon manchmal müder heimgekommen, aber nie bedrückter oder wegen der Zukunft besorgter.
Das Haus war dunkel. Linda und er hatten letztes Jahr (und im Jahr davor) über den Kauf eines Notstromaggregats diskutiert, weil Chester's Mill in jedem Winter vier bis fünf Tage ohne Strom war, was aber auch jeden Sommer vorkam; die Western Maine Power war nicht der zuverlässigste Energieversorger. Aber sie hatten es sich einfach nicht leisten können. Vielleicht wenn Linda als Vollzeit-Cop arbeitete, aber das wollten sie beide nicht, solange die Mädchen noch klein waren.
Wenigstens haben wir einen guten Ofen und einen verdammt großen Holzhaufen. Falls wir ihn brauchen.
Im Handschuhfach lag eine Stablampe, aber als er sie einschaltete, brannte sie fünf Sekunden lang flackernd und erlosch dann. Rusty murmelte einen Fluch und nahm sich vor, sich morgen mit Batterien einzudecken - inzwischen vielmehr heute. Falls die Läden geöffnet hatten.
Wenn ich mich nach zwölf Jahren hier nicht blind zurechtfinde, bin ich ein Affe.
Nun ja. Er fühlte sich heute Nacht ein bisschen wie ein Affe - vor kurzem gefangen und in einen Zookäfig gesteckt. Und er roch ganz entschieden wie einer. Vielleicht eine Dusche vor dem Zubettgehen ...
Heute nicht. Kein Strom, keine Dusche.
Die Nacht war klar, und obwohl kein Mond schien, standen eine Million Sterne über dem Haus - und sie sahen aus wie immer. Vielleicht gab es über ihnen keine Barriere. Davon hatte der Präsident nicht gesprochen, was vielleicht bedeutete, dass die zuständigen Stellen es noch nicht wussten. Wenn The Mill auf dem Boden eines neu entstandenen Brunnens lag, statt unter irgendeiner unheimlichen Käseglocke gefangen zu sein, konnte vielleicht noch alles gut ausgehen. Das Militär konnte die Stadt aus der Luft versorgen. Wenn das Land Hunderte von Milliarden ausgeben konnte, um angeschlagene Unternehmen zu retten, konnte es sich bestimmt leisten, ein paar zusätzliche Pop-Tarts und ein paar kümmerliche Notstromaggregate an Fallschirmen abzuwerfen.
Rusty ging zur Hintertür hinauf und hatte den Schlüssel bereits in der Hand, als er etwas vor der Schlossplatte hängen sah. Er beugte sich hinunter, kniff die Augen zusammen und lächelte dann. Es war eine Mini-Stablampe. Beim diesjährigen Großen Sommerschlussverkauf bei Burpee's hatte Linda fünf oder sechs davon gekauft. Das hatte er damals für töricht gehalten;
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