Die Arena
ließ sich widerstandslos mitziehen. Als Audrey sah, dass er ihr folgte, ließ sie sein Hosenbein los und rannte zur Treppe. Sie lief zwei Stufen hinauf, sah sich um und bellte erneut.
Oben in ihrem Schlafzimmer wurde Licht gemacht. »Rusty?« Das war Linda, deren Stimme schlaftrunken klang.
»Ja, ich bin's«, rief er halblaut. »Aber eigentlich ist es Audrey.« Er folgte dem Hund die Treppe hinauf. Statt sie wie sonst mit wenigen großen Sprüngen zu bewältigen, machte Audrey immer wieder halt, um sich umzusehen. Hundeliebhaber können den Gesichtsausdruck ihrer Tiere oft sehr gut deuten, und was Rusty jetzt sah, war ängstliche Besorgnis. Audreys Ohren waren flach angelegt, ihr Schwanz noch immer eingezogen. Falls dies wieder die Winselsache war, hatte sie ein neues Niveau erreicht. Rusty fragte sich plötzlich, ob vielleicht ein Einbrecher im Haus war. Die Hintertür war abgesperrt gewesen, und Linda schloss im Allgemeinen zuverlässig alle Türen ab, wenn sie mit den Mädchen allein war, aber ...
Linda, die sich ihren weißen Frotteebademantel zuband, erschien oben an der Treppe. Als Audrey sie sah, bellte sie erneut. Ein Aus-dem-Weg-Kläffen.
»Audi, Schluss jetzt!«, sagte sie, aber Audrey rannte an ihr vorbei und rempelte Lindas rechtes Bein kräftig genug an, um sie an die Wand zurücktorkeln zu lassen. Dann war der Golden Retriever den Flur entlang zum Zimmer der Mädchen unterwegs, in dem es noch still war.
Linda angelte ihre eigene Mini-Stablampe aus der Tasche ihres Bademantels. »Um Himmels willen, was ... «
»Ich glaube, du gehst besser ins Schlafzimmer zurück«, sagte Rusty.
»Ich denke nicht daran!« Sie rannte vor ihm den Flur entlang, so dass der helle Lichtstrahl ihrer Lampe über Fußboden und Wände tanzte.
Die Mädchen waren fünf und sieben; sie waren vor kurzem in die von Linda so bezeichnete »weibliche Privatsphären-Phase« eingetreten. Audrey erreichte die Tür, stellte sich hoch und fing an, mit den Vorderpfoten das Holz zu zerkratzen.
Rusty holte Linda ein, als sie gerade die Tür aufstieß. Audrey war mit einem Satz in dem Raum, ohne Judys Bett auch nur eines Blickes zu würdigen. Die Fünfjährige schlief ohnehin fest.
Janelle schlief nicht. Sie war aber auch nicht wach. In dem Augenblick, als die beiden Lichtstrahlen sich auf ihr vereinigten, wurde Rusty alles klar, und er verfluchte sich dafür, dass er nicht früher erkannt hatte, was hier vorging, was schon seit August, vielleicht sogar seit Juli passiert sein musste. Denn Audreys merkwürdiges Benehmen - die Winselsache - war gut dokumentiert. Er hatte die Wahrheit nur nicht erkannt, als sie ihm ins Gesicht gestarrt hatte.
Janelle, deren Augen offen waren, aber nur das Weiße sehen ließen, hatte keine Krämpfe - Gott sei Dank nicht -, aber sie zitterte am ganzen Leib. Sie hatte ihre Bettdecke bis zu den Füßen hinuntergestrampelt, vermutlich zu Beginn dieses Anfalls, und im Licht der Stablampen war im Schritt ihrer Pyjamahose ein dunkler Fleck zu erkennen. Sie bewegte die Finger wie bei Lockerungsübungen, bevor sie Klavier zu spielen begann.
Audrey saß vor dem Bett, sah mit gespannter Aufmerksamkeit zu ihrem kleinen Frauchen auf.
»Was ist mit ihr?«, kreischte Linda.
Im anderen Bett regte Judy sich und murmelte undeutlich:.
»Mami? Is schon Frühtück? Hab ich den Bus verpasst?« »Sie hat einen Anfall«, sagte Rusty.
»Dann hilf ihr!«, rief Linda aus. »Mach irgendwas! Stirbt sie?« »Nein«, sagte Rusty. Der Teil seines Gehirns, der weiterhin klar denken konnte, wusste, dass dies ziemlich sicher nur ein kleiner epileptischer Anfall war - wie es die anderen gewesen sein mussten, die ihnen längst hätten auffallen müssen. Aber das war etwas anderes, wenn es in der eigenen Familie passierte.
Judy setzte sich kerzengerade im Bett auf und verstreute dabei Kuscheltiere um sich herum. Ihre Augen waren schreckhaft geweitet, und sie fühlte sich nicht sonderlich getröstet, als Linda sie aus dem Bett riss und an sich drückte.
»Mach, dass sie aufhört! Mach, dass sie aufhört, Rusty!«
Wenn dies ein Petit-mal-Anfall war, würde er von selbst aufhören.
Bitte, lieber Gott, lass ihn von selbst aufhören, dachte er.
Er legte die Hände seitlich an Jannies bebenden, zitternden Kopf und versuchte, ihn sanft nach oben zu drücken, damit ihre Luftröhre auf jeden Fall frei blieb. Anfangs gelang ihm das nicht das gottverdammte Kissen hinderte ihn daran. Er warf es zu Boden. Es traf zuerst Audrey, aber die Hündin
Weitere Kostenlose Bücher