Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Arena

Titel: Die Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
weitere dünne Blutfäden ihm über den Rücken liefen, sich in seinem Kreuz sammelten und den elastischen Bund seiner Sporthose befeuchteten.
    Lester stand hinter dem Katheder, wie um zu predigen (obwohl er selbst in seinen schlimmsten Alpträumen nie davon geträumt hatte, so spärlich bekleidet zu predigen), klappte die offen daliegende Bibel zu und schloss die Augen. »Herr, dein Wille geschehe - darum bitte ich im Namen deines Sohns, in Schande gekreuzigt und glorreich auferstanden.«
    Und der Herr sagte: »Schlag mein Buch auf, und sieh, was du siehst.«
    Lester tat wie geheißen (wobei er darauf achtete, die große Bibel nicht zu weit in der Mitte aufzuschlagen - dies war ein Job fürs Alte Testament, wenn es je einen gegeben hatte). Er ließ seinen Zeigefinger über die ungesehene Seite gleiten, dann öffnete er die Augen und beugte sich über den Text. Vor ihm aufgeschlagen lag das fünfte Buch Mose, Kapitel achtundzwanzig, Vers achtundzwanzig. Er las:
    »Der Herr wird dich schlagen mit Wahnsinn, Blindheit und Rasen des Herzens.«
    Raserei des Herzens war vermutlich gut, aber insgesamt klang das nicht gerade aufmunternd. Oder deutlich. Dann sprach der Herr erneut und sagte: »Nicht dort aufhören, Lester.«
    Er las Vers neunundzwanzig.
    » Und wirst tappen am Mittag . .. «
    »Ja, Herr, ja«, flüsterte er und las weiter.
    » ... wie ein Blinder tappt im Dunkeln; und wirst auf deinem Wege kein Glück haben; und wirst Gewalt und Unrecht leiden müssen dein Leben lang, und niemand wird dir helfen. «
    »Wirst du mich mit Blindheit schlagen?«, fragte Lester, wobei er seine knurrende Gebetsstimme etwas erhob. »0 Gott, tu das nicht - aber wenn es dein Wille ist ... «
    Der Herr sprach erneut zu ihm und fragte: »Bist du heute auf der dummen Seite deines Betts aufgestanden, Lester?«
    Er riss die Augen auf. Gottes Stimme, aber eine der häufigsten Redensarten seiner Mutter. Ein wahrhaftiges Wunder! »Nein, Herr, nein.«
    »Dann sieh noch einmal hin. Was zeige ich dir?« »Etwas über Wahnsinn. Oder Blindheit.«
    »Was davon hältst du für wahrscheinlicher?«
    Lester überflog die Verse. Das einzige wiederholte Wort war blind.
    »Ist das ... Herr, ist das mein Zeichen?«
    Und der Herr antwortete und sprach: »Ja, gewisslich, aber nicht deine eigene Blindheit, denn deine Augen sehen jetzt klarer. Halte Ausschau nach dem Geblendeten, der wahnsinnig geworden ist. Siehst du ihn, musst du deiner Gemeinde erzählen, was Rennie hier draußen getan hat - und wie du daran beteiligt warst. Ihr müsst beide gestehen. Darüber reden wir noch, aber vorläufig solltest du ins Bett gehen, Lester. Du tropfst den Boden voll.«
    Lester gehorchte, aber zuvor wischte er noch die kleinen Blutspritzer von dem Hartholzboden hinter dem Katheder. Das tat er auf den Knien. Er betete nicht, während er arbeitete, aber er meditierte über die Verse. Er fühlte sich schon viel besser.
    Vorerst würde er nur allgemein über die Sünden sprechen, die bewirkt haben konnten, dass diese unbekannte Barriere zwischen The Mill und der Außenwelt entstanden war; aber er würde auf das Zeichen achten. Nach einem oder einer Blinden, der oder die wahnsinnig geworden war, 0 ja, wahrlich.
     
    6
     
    Brenda Perkins hörte WCIK , weil ihr Mann ihn gern hörte (gehört hatte), aber sie hätte niemals einen Fuß in die Erlöserkirche gesetzt. Sie gehörte ganz und gar der Congo an und sorgte dafür, dass ihr Mann sie dorthin begleitete.
    Hatte dafür gesorgt. Howie würde nur noch einmal in der Congo sein. Würde dort liegen, ohne etwas zu spüren, während Piper Libby seinen Nachruf sprach.
    Diese Erkenntnis - so krass und unabänderlich - traf sie ins Herz. Zum ersten Mal, seit Brenda die Nachricht erhalten hatte, ließ sie sich gehen und heulte los. Vielleicht weil sie das jetzt konnte. Jetzt war sie allein.
    Im Fernsehen sagte der Präsident, der ernst und erschreckend alt aussah, feierlich: »Meine amerikanischen Mitbürger, Sie wollen Antworten. Und ich verpflichte mich dazu, sie Ihnen zu geben, sobald ich sie habe. In dieser Sache wird es keine Geheimnisse geben. Meine Kenntnis der Ereignisse wird auch Ihre sein. Das ist mein feierliches Versprechen ... «
    »Ja, und dir gehört eine Brücke, die du mir verkaufen willst«, sagte Brenda. Davon musste sie noch mehr weinen, weil das eine von Howies liebsten Redensarten war. Sie schaltete den Fernseher aus und ließ die Fernbedienung zu Boden fallen. Am liebsten hätte sie das Ding zertrampelt, aber das

Weitere Kostenlose Bücher