Die Ares Entscheidung
verschwommen, wenn er versuchte, in die Zukunft zu schauen. Omidi, der ihn wie einen Vater betrachtete, sah sich jetzt in der schwierigen Situation, mit der jeder Sohn
irgendwann konfrontiert ist, wenn es Zeit wird, selbst die Verantwortung zu übernehmen. In den kommenden Jahren würde er seinem Lehrer den Weg durch eine Welt weisen müssen, die auch vor ihrem Land nicht Halt machte.
Er klopfte leise und trat ein, als ihn die gedämpfte Stimme dazu aufforderte. Es gab keinerlei Einrichtung in dem Büro, nur Kissen auf dem Fußboden.
»Exzellenz.« Omidi verbeugte sich tief.
Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, war Khameneis Bart pechschwarz gewesen, und seine Augen hatten eine fast magische Intensität ausgestrahlt. Inzwischen war er völlig ergraut und trug eine dicke Brille, die seine königlichen Gesichtszüge verzerrte.
Der Mann, der auf einem Kissen neben ihm saß, sprang mit hasserfülltem Blick auf, doch er setzte sich gehorsam wieder auf seinen Platz, als ihn der alternde Geistliche am Arm berührte.
»Mehrak. Es freut mich, dich zu sehen. Bitte, setz dich zu mir.«
Omidi kam der Aufforderung nach und senkte demütig den Kopf, um dem wütenden Blick des glatt rasierten Mannes auszuweichen.
Rahim Nikahd war eine mächtige gemäßigte Stimme im Parlament, ein schlauer und ehrgeiziger Mann, der eine neutrale Position einnahm zwischen dem Iran, wie er heute war, und dem, was der Mob wollte.
Es war empörend, dass ein Mann von der Größe Khameneis vor einem Insekt wie Nikahd zu Kreuze kriechen musste, aber so war nun einmal die komplexe Realität der Politik. Kein Führer war so groß und mächtig, dass er vergessen konnte, woher seine Macht in Wirklichkeit kam.
»Warum ist dieser Mann hier?«, fragte Nikahd schließlich.
»Warum hat er immer noch eine so wichtige Position in dieser Regierung? Ich …«
»Scht.« Khamenei legte ihm erneut die Hand auf den Arm. »Beruhigen Sie sich, mein alter Freund.«
Leider war Nikahd nicht nur ein Mitglied des Parlaments, sondern auch der Vater des jungen Mannes, den Omidi gestern festgenommen hatte.
»Mehrak trägt eine große Verantwortung«, erklärte Khamenei. »Und er musste davon ausgehen, dass Ihr Sohn Farrokh ist.«
»Farrokh? Aber das ist doch verrückt!«, protestierte der Mann. »Wie konnte er einen so dummen Fehler begehen?«
Omidi schwieg respektvoll, obwohl es ihn zornig machte, wie hier über ihn diskutiert wurde, als wäre er gar nicht da.
»Ich habe gehört, dass Farrokh sein großes technologisches Wissen genutzt hat, um seine Kommunikation auf das Haus Ihres Sohnes umzuleiten. Er hat gewiss geplant, dass das passieren würde, und gedacht, dass Sie sich dann von mir abwenden würden. Dass Sie sich von Gott abwenden würden.«
»Die Frau meines Sohnes – die Mutter meiner Enkelkinder – liegt im Koma, weil sie mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen wurde. Und das soll Kompetenz sein? Er konnte nicht einmal einen Telefonanruf machen und überprüfen, wessen Haus er da angreift?«
»Dazu war keine Zeit, Rahim. Farrokh ist uns schon so oft durch die Finger geschlüpft. Und um Ihre Frage zu beantworten – Mehrak ist hier, weil er darauf bestanden hat, Sie persönlich um Verzeihung zu bitten.«
Das stimmte nicht ganz – ja, es stimmte eigentlich überhaupt nicht –, aber Omidi senkte den Kopf noch tiefer und nahm eine unterwürfige Haltung ein.
»Ich möchte Sie um einen persönlichen Gefallen bitten«, fuhr Khamenei fort. »Ich bitte Sie, uns beiden zu vergeben für unseren Anteil an dem, was Ihrer Familie geschehen ist.«
Omidi hielt seinen Blick zu Boden gerichtet, froh darüber, dass der dicke Parlamentarier, der ihm gegenübersaß, die Wut in seinen Augen nicht sehen konnte. In der Welt der Politik gab es nichts ohne Gegenleistung. Eines Tages würde Khamenei die Schuld zurückzahlen müssen, für die Omidi verantwortlich war. Er hatte sich von Farrokh übertölpeln lassen. Wie schon so oft in der Vergangenheit.
Nikahd antwortete nicht sofort – er wog zweifellos seine Position ab. Er musste bei allem, was er tat, darauf achten, nicht so weit links zu stehen, dass ihm Gefahr von den Machthabern drohte, aber auch nicht so weit rechts, dass die Protestbewegung ihn nicht mehr als einen der Ihren betrachtete, für den Fall, dass sie triumphieren sollte.
»Gewiss vergebe ich Ihnen, Exzellenz.«
Khamenei hielt ihm die Hand hin, und Nikahd küsste sie. »Ich bin dankbar, Männer wie Sie um mich zu haben, Rahim. Männer,
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