Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
außen gestülpt. Eine schleichende Schwäche überwältigte sie, als würde ihr die Seele aus dem Leibe gesogen. Sie spürte starke Arme unter sich, als der Gebieter sie auf eine Bank an der Wand hob und ihr einen Becher Wein an die Lippen hielt. Dankbar nippte Aurian daran. Ihre Muskeln versagten ihr den Dienst, und ihr war schwindelig, ein Mangel – eine kalte, graue Leere, die ihrem suchenden Geist immer wieder entschlüpfte.
»Was hast du mit mir gemacht?« flüsterte sie.
Der Gebieter schien erschüttert zu sein. »Ich habe dir die Armreifen von Zathbar angelegt. Ein Zauberbann – ein Artefakt, das wir vor langer Zeit in einem Drachenhort gefunden haben. Das Geheimnis seiner Schöpfung ist in den Nebeln der Zeit verlorengegangen. Ich hatte keine Ahnung, daß die Armreifen eine solche Wirkung auf dich haben würden, aber sie sind notwendig, wenn du in unserem Land leben willst. Die Armreifen sind mit Zaubersteinen besetzt, die deine Zauberkräfte aufheben und in sich zusammenschmelzen lassen; sie werden mein Volk gegen jeden Versuch von dir schützen, deine bösen Mächte auf uns zu richten.«
Aurian spürte einen heißen Zorn in sich aufsteigen. Diese Leute, die so heftig gegen die Benutzung von Zauberei protestiert hatten, hatten selbst zu negativer Magie gegriffen, um Aurians magische Kräfte zu fesseln. O ihr Götter, dachte Aurian verzweifelt. Wie soll ich nur jemals wieder hier herauskommen?
Das Kriegerquartier in der Arena war sehr angenehm – für ein Gefängnis jedenfalls. Aurians Zelle hatte verriegelte Fenster und eine stabile Tür, aber die glatten, weißen Wände und der braun geflieste Boden waren makellos sauber, und sie hatte einen Tisch, einen Stuhl, eine Truhe und ein schmales Bett für sich. An den Wänden waren Haken befestigt, an denen sie ihre Kleider aufhängen konnte, und ein gewebter Teppich auf dem Boden brachte einen Hauch fröhlicher Farbe in die Zelle. Aurian konnte sich kaum noch daran erinnern, wie sie hierher gekommen war. Irgend etwas hatte ihr geholfen und ihre Fesseln gelöst, und sie war zu Tode erschöpft auf dem Bett eingeschlafen.
Als sie erwachte, dämmerte es bereits. In einer Nische hoch oben in der Wand brannte eine Öllampe unerreichbar hinter einem kleinen Eisengitter, wahrscheinlich für den Fall, daß sie beschließen sollte, sich selbst in Brand zu setzen, dachte sie trocken. Die Schmerzen und die Erschöpfung waren verflogen, und nur eine gräßliche graue Leere war zurückgeblieben – das Fehlen ihrer Magie. Aurian kämpfte die Panik nieder, die sie zu ersticken drohte. Sei kein Narr, sagte sie sich, sonst wirst du niemals hier herauskommen. Aber oh, diese trostlose, kalte Leere … Gewöhn dich besser daran, befahl sie sich unnachgiebig. Und zwar schnell.
Sie setzte sich auf, suchte den Raum ab und sah eine großzügige Mahlzeit auf dem Tisch stehen. Ah, das sah wirklich gut aus! Sie schien schon seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen zu haben. Obwohl die Speisen kalt geworden waren, schmeckten sie ihr wunderbar. Es gab da eine Art Haferbrei aus gekochten Hülsenfrüchten, würzig und wohlriechend, dazu eine Keule gebratenen Fleisches, das sich als Ziege erwies, und ein etwas seltsames flaches Brot. Außerdem stand auf dem Tisch eine Schale mit Früchten und einem weißen Käse, der so stark war, daß ihr die Tränen in die Augen traten – und Wein, ein reicher, dunkler Rotwein, fruchtig und stark. Aurian schlang alles in sich hinein, um die Tage des Fastens wieder wettzumachen. Dann nahm sie sich einen randvollen Becher Wein und die Flasche mit ins Bett, lehnte sich an die Mauer und legte ihre Füße hoch. Sie blinzelte in die tanzende Flamme der Lampe, bis sie alles doppelt und verschwommen sah. Ihr Götter, dieser Wein war wirklich stark! Oder hatte er nur deshalb eine solche Wirkung auf sie, weil sie so erschöpft war?
Die Magusch fühlte sich seltsam betäubt und schwerelos. Der Diebstahl ihrer Zauberkräfte, ihre augenblickliche Zwangslage und der Verlust von Anvar und Sara – an nichts von alledem konnte sie im Augenblick denken. Sie wußte, daß sie irgendwelche Pläne schmieden mußte, aber sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden. Seit ihrer Flucht aus der Akademie hatte sie pausenlos unter Druck gestanden, ihr Leben sich immer auf des Messers Schneide befunden. Jetzt war sie gefangen und hatte keine andere Wahl, als stillzusitzen, und ihr Verstand und ihr Geist nutzten die Gelegenheit nach Kräften, um sich auszuruhen und sich
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