Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
einer Wunde herumgedreht wurde, aber die Kindheit war nun vorüber, und der Seelengefährte jener Tage hatte sich zu einem mordenden Monster entwickelt. Er mußte das untere Ende der Treppe erreichen, um Davorshan zu töten, falls dieser noch lebte, denn sonst würde sein Bruder mit Sicherheit ihn töten.
Als er unten angekommen war, war sein Gesicht von Schweiß und Tränen überströmt. Davorshan lag bäuchlings und vollkommen regungslos auf den breiten Küchenfliesen am Fuße der Treppe. D’arvan betete, daß er bereits tot war. Der Griff des Schwerts war wie Eis in seiner zitternden Hand, als er sich auf die unterste Stufe kauerte, direkt über seinen Bruder. »O ihr Götter«, betete er, »bitte zwingt mich nicht dazu, das zu tun!« Aber gerade in diesem Augenblick stöhnte Davorshan leise, bewegte sich und rollte sich auf den Rücken. Obwohl seine Augen bereits glasig waren, konnte D’arvan den unversöhnlichen Haß spüren, der seine Gedanken verzerrte. Jetzt und immer. Endlich konnte D’arvan der Wahrheit ins Gesicht sehen und sie akzeptieren. Dann hob er das Schwert mit beiden Händen hoch über seinen Kopf und jagte die Spitze durch das Herz seines Bruders – und ein unaussprechlicher Schmerz durchbohrte seine eigene Brust, als ihre Gedanken sich ein letztes Mal verbanden. Mit einem lauten Aufschrei krümmte D’arvan sich zusammen.
» Bruder …« Davorshans gebrochenes Flüstern huschte durch D’arvans Denken, als die Seele seines Bruders aus seinem Körper floh. D’arvan spürte, wie der Schmerz in seiner Brust jenem alles versengenden Krampf wich, der das Hinscheiden eines Magusch kennzeichnete. Eines Magusch, der von seiner Hand gestorben war.
»D’arvan!« Mayas rauhe Stimme war ein Sonnenstrahl, der sich durch den dunklen Brunnen seiner Trauer bohrte. Wie betäubt hob er den Kopf, um zu ihr aufzusehen. Sie ließ sich neben ihn auf die Treppe sinken und legte ihre Arme um ihn. Die Tränen, die er selbst zu vergießen nicht in der Lage gewesen war, fluteten nun über ihr Gesicht, und er wußte, daß sie verstand. Aber ihre Stimme war, als sie wieder sprach, überraschend sachlich. »Du hast ihn getötet.«
Diese Feststellung bedurfte keiner Antwort.
»So, wie die Dinge liegen, wird er nicht der letzte sein«, fuhr Maya fort. »Es ist niemals leicht, für die meisten von uns jedenfalls. Und es sollte auch nie leicht sein. Alles, was wir versuchen können, ist, uns ein wenig davon zu distanzieren und weiterzuleben, so gut wir können. Aber ich verspreche dir, daß es niemals mehr so schlimm sein wird wie bei diesem ersten Mal. Das Schlimmste ist jetzt vorbei, mein Geliebter.«
D’arvan klammerte sich an sie, seltsam getröstet von ihren schroffen Worten. Wie sehr es seiner Maya doch ähnlich sah, Mitleid und gesunden Menschenverstand im gleichen Atemzug zu Wort kommen zu lassen. Wie glücklich er war, sie in all dieser Zerstörung, in all diesem Stoben bei sich zu haben … »Eilin!« Seine Stimme brach. »Maya, sie ist oben. Verletzt – schlimm, glaube ich.«
»Sieben verdammte Dämonen!« Maya sprang auf die Füße. »Wo?«
»Ganz oben.« Er versuchte aufzustehen und sank dann mit einem Schmerzensschrei wieder auf die Treppe.
Sie fuhr heftig herum. »Bist du verletzt?«
»Ich habe mir das Bein verrenkt, als ich diesen Schritt, den du mir beigebracht hast, gemacht habe. Geh du schon vor – ich komme nach, so gut ich kann.«
Maya biß sich auf die Lippe, nickte und lief nach oben.
D’arvan kam nur langsam und unter großen Schmerzen vorwärts; er mußte sich am Treppengeländer festhalten und sich mit seinem gesunden Bein, so gut es ging, hinaufziehen. Er war erst halb oben, als er das Klirren gestiefelter Füße auf den Metallstufen hörte und Maya an der Biegung der Treppe wieder auftauchte. Als sie ihn sah, hielt sie in ihrem ungestümen Lauf inne. »Sie stirbt.«
Maya hatte recht. D’arvan wußte es sofort, als er die Lady Eilin sah, wie sie in der Zerstörung ihrer Gemächer wie ein zerknittertes Bündel Lumpen hilflos auf dem Boden lag. Er hatte nicht gewußt, daß ein einziger Körper so viel Blut enthalten konnte. Es war überall; verschmiert auf Bett und Wänden, in kleinen Pfützen auf dem Boden, auf ihren Gewändern, die an Dutzenden Stellen aufgeschlitzt und zerrissen waren. Ihre Haut hatte bereits die bleiche Durchsichtigkeit des unmittelbar bevorstehenden Todes. Maya lehnte ihn gegen die Wand, wo er sein ganzes Gesicht auf sein gesundes Bein verlagerte; dann lief
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