Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
wie der Biß des Winters, wie die frohe Wärme eines neuen Frühlingstages. »Wer wagt es, den Fürst der Phaerie zu rufen?«
D’arvan wäre vor Ehrfurcht beinahe auf seine zitternden Knie gefallen. Er krampfte seine Finger fester um Eilins Stab und erinnerte sich daran, daß dieses Wesen sein Vater war. Dann verbeugte er sich tief, unfähig, irgend etwas zu sagen. Das hier überstieg seine kühnsten Vorstellungen. Was konnte man zu jemandem wie Hellorin schon sagen?
»Mein Fürst, gestatte mir, dir den Erdmagusch D’arvan vorzustellen – deinen Sohn.« Mayas rauhe Stimme durchschnitt das Schweigen.
»Was?« donnerte der Waldfürst und durchbohrte sie mit seinen Blicken. Blitze leuchteten in seinen Augen unter dunkel zusammengezogenen Brauen auf. Als er die Hand hob, schienen die Bäume selbst zu erzittern.
D’arvan stellte plötzlich fest, daß er sich wieder bewegen konnte. Er stützte sich auf den Stab, humpelte zu Maya hinüber und stellte sich schützend vor sie. »Es ist die Wahrheit!« rief er. »Ich habe dich bei deinem wahren Namen genannt: Vater – und du hast geantwortet. Meine Mutter war Adrina von den Magusch, und in ihrem Namen habe ich dich gerufen, denn wir brauchen dringend deine Hilfe. Die Lady Eilin, die Freundin meiner Mutter und Wächterin dieses Tals, liegt im Sterben.« Es sprudelte alles auf einmal aus ihm heraus. Vor D’arvans erstaunten Augen verschwand die ehrfurchtgebietende Gestalt.
D’arvan sah sich verzweifelt um. Dann trat sein Vater hinter einer Eiche hervor, auf eine normale, sterbliche Größe geschrumpft, aber nicht um einen Deut seiner Macht und Majestät beraubt. Grobe Muskeln traten auf seiner nackten Brust unter dem Umhang hervor. Starke Beine, in dunkle Hosen und hohe Stiefel gehüllt, standen weit auseinander auf dem Waldboden. Das geisterhafte Bild der geweihtragenden Stirn. Seine ernsten, königlichen Gesichtszüge und sein harter Mund waren nun weicher geworden, und der Ausdruck in seinen dunklen Augen verriet nicht das geringste von seinen Gefühlen. »Mein Sohn?« Die tiefe Stimme war sanft und erfüllt von tausend Fragen.
Der Waldfürst machte einen Schritt nach vorn, und starke Hände umklammerten D’arvans Schultern. Dunkle, unergründliche Augen forschten in seinem Gesicht, und D’arvan spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Mein Sohn«, murmelte Hellorin, und die Anfänge eines verwunderten Lächelns hoben die Ecken seines feingemeißelten Mundes. »Mein eigener Sohn, und ich habe nicht einmal gewußt, daß es dich gibt.«
»Vater …« flüsterte D’arvan. Dann ließ er den Stab fallen, schlang seine Arme um Hellorins breite Schultern, und dort, in der sternenbeleuchteten Waldlichtung, konnten Vater und Sohn einander endlich umarmen.
»D’arvan? Fürst Hellorin?« Mayas zögernde Stimme unterbrach die schweigende Vereinigung. Die Tränen in ihren Augen bezeugten, daß diese Vereinigung von Vater und Sohn auch die Schwertkämpferin nicht ungerührt gelassen hatte, aber wie immer praktisch veranlagt, zeigte sie auf Eilins niedergestreckten Körper. »Ich bitte um Verzeihung, meine Herren, aber die Lady ist in einem verzweifelten Zustand. Und vielleicht ist es schon zu spät.«
Der Waldfürst hob eine Augenbraue. »Wer ist diese tollkühne Person?« fragte er seinen Sohn.
»Das ist Leutnant Maya, eine unvergleichliche Kriegerin, eine treue und tapfere Kameradin und« – stolzer Trotz schwang in D’arvans Stimme mit, als er fortfuhr – »meine Lady.«
Der Waldfürst brach in Gelächter aus. Maya blickte finster drein, und D’arvan bedeutete ihr mit einer drängenden Geste, stillzuschweigen, denn er fürchtete den Wutausbruch, der unweigerlich kommen würde. »Ich vermag nicht zu sehen, was daran so komisch ist«, sagte er eisig.
Hellorin holte tief und keuchend Luft und wischte sich die Augen ab. »Ach, mein Sohn«, kicherte er. »Wie gut es tut, zu sehen, daß du schon jetzt die alten Traditionen unseres Volkes fortführst.«
»Was?« D’arvan war verblüfft.
»Hast du denn gar keine Ahnung von den Legenden?« fragte sein Vater, während in seinen Augen immer noch größte Heiterkeit tanzte. »All diese Geschichten über die Phaerie, die Sterbliche verführen, um sie zu ihren Bräuten zu machen? Und zu Bräutigamen, was das betrifft, denn die Damen meines Volkes würden mir das Leben wahrhaftig schwermachen, wenn ich versuchen wollte, ihnen ihre gelegentlichen Chancen auf einen kräftigen, sterblichen Hengst streitig zu
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