Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
gewölbte Außentor ins Freie gelangten. Ohne einen Augenblick lang innezuhalten, drängte er sie die Stufen der Außenterrasse herab und über einen Rasen bis hin zu den nebelhaften Umrissen der dahinterliegenden Wälder.
»Hellorin, warte! Ich kann nicht …« Eilins atemloses Wimmern brachte den Fürst der Phaerie zum Stehen. Er drehte sich um und sah, daß sie wirklich am Ende ihrer Kräfte war; ihre Beine zitterten, und ihre Brust hob und senkte sich von der ungewohnten Anstrengung, die zu rasch auf ihre Erholung von den schrecklichen Wunden gefolgt war. Aber schließlich konnte sie wieder sprechen, und das zornige Glitzern in ihren Augen verhieß Gutes, was das Wiedererwachen ihres wilden Geistes betraf.
»Das war ein guter Lauf, meine Lady«, sagte er zu ihr, wohl wissend, daß er sich glücklich schätzen konnte, daß sie nicht mehr genug Luft bekam, um die heftige Zurechtweisung auszusprechen, die ihr so klar ins Gesicht geschrieben stand. Er legte einen Arm um sie und drehte sie herum, so daß sie in die Richtung blickte, aus der sie gekommen waren. Ihr leiser Aufschrei puren Entzückens belohnte ihn dafür. »Vergib mir, daß ich dich so überstürzt und auf so grobe Art und Weise hierhergebracht habe, Lady«, sagte er sanft, »aber ich war so begierig, dir dies hier zu zeigen.« Und dort, direkt vor ihren Augen, erhob sich höher und immer höher der sanfte Hügel des grünen Rasens, der ganze Stolz von Hellorins Herzen – die Zitadelle und das Heim seines Volkes.
Die Phaerie, vollendete Meister der Illusion, hatten sich diesmal selbst übertroffen; sie hatten Natur mit Magie kombiniert, um eine echte Einheit zu schaffen, die tatsächlich um sie herum lebte und atmete im Gegensatz zu den bedrückenden Haufen von seelenlosen, hingemordeten, herausgehauenen Steinen, die die Unterkünfte der Magusch und der Sterblichen bildeten. Die Zitadelle, die wie ein Juwel in dem fremden, goldenen Halblicht glühte, das eine unveränderliche Besonderheit dieser zeitlosen Anderwelt war, hatte die äußere Gestalt eines wuchtigen, schroffen Hügels angenommen. Ihre Wände und Balkone waren Klippen und Felsbänke, ihre Fenster durch Magie vor allen Blicken verborgen; und ihre vielen zierlichen, hölzernen Türme wie der, in dem Eilin sich aufgehalten hatte, waren prachtvolle Haine erhabener, lebender Buchen. In den flachen Bereichen des Gebäudes prangten Lichtungen und Gärten mit durchscheinenden, hellen Blüten, die wie gesponnenes Glas in dem elfenbeinfarbenen Licht funkelten. Bäche und Springbrunnen bedeckten den Hügel mit ihrem diamantenen Glitzern und stürzten funkelnde Silberschleier über die Gesichter des Felsens.
Hellorin stieß einen zufriedenen Seufzer aus. In all den Jahrhunderten hatte dieser Anblick es immer wieder geschafft, ihn mit einem Glück zu erfüllen, das eine solche Intensität hatte, daß es beinahe ein Schmerz war. Er lächelte Eilin an, die neben ihm stand, als wäre sie jetzt zu Stein verwandelt. Ihr Gesicht war verzückt und voller Glanz. »Es ist wunderschön, nicht wahr. Schöner, als man es mit Worten ausdrücken kann«, murmelte er. »Obwohl dein Exil für dich bitter sein muß – kann ein solcher Ort deinen Kummer nicht ein wenig lindern, Lady?«
Eilin seufzte. »Ein wenig vielleicht – im Laufe der Zeit.«
»Ach, die Zeit – ja, die Zeit wird schließlich vielleicht alles wieder in Ordnung bringen.« Da er das spöttische Stirnrunzeln der Magusch bemerkte, beeilte Hellorin sich, ihr Aufklärung zu verschaffen. »Dein Exil wird nicht ewig dauern, Lady – nur solange, wie auch wir hier gefangen sind.«
»Was?« keuchte Eilin. »Ich verstehe dich nicht.«
»Es hängt alles mit unserer Magie und deren Beschränkungen zusammen«, erklärte der Waldfürst. »Die Macht unserer Heiler kann sich bisher nicht auf deine Welt ausdehnen, aber wenn wir Phaerie aus unserem Exil entlassen werden, dann werden auch unsere heilenden Kräfte ganz wiederhergestellt sein. Dann kannst du ohne Risiko zurückkehren und gesund und munter weiterleben, wie du es früher getan hast.«
Eilin runzelte immer noch die Stirn. »Aber ich dachte, das alte Geschlecht der Magusch hätte euch hier für alle Ewigkeit gefangengesetzt.«
»Ach, natürlich! Jetzt verstehe ich deine Verwirrung. Ich habe zwar Maya und D’arvan die Prophezeiung erklärt, aber ich hatte ganz vergessen, daß du nichts davon weißt. Aber du bist schwach; und hier mitten auf der Wiese ist auch nicht der richtige Ort für lange
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