Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
sie Königin sein konnte! O ihr Götter, ich bin ein solcher Narr, Aurian. Ein blinder, armseliger Narr!« Er zitterte vor Zorn.
Aurian schlang ihre Arme um ihn und tröstete ihn, wie er sie auf dem Gipfel der Klippen getröstet hatte. Er lehnte an ihrer Schulter, während sie über sein feines, strohblondes Haar strich.
»Weißt du, was ich tun würde, wenn wir jetzt in Nexis wären?« fragte sie sanft. »Ich würde dich in jede Taverne der Stadt schleppen und dafür sorgen, daß du dich schlimmer betrinkst als je in deinem ganzen Leben. Forral hat immer gesagt, das wäre die beste Medizin gegen ein gebrochenes Herz.«
Der östliche Horizont begann heller zu werden, und das zunehmende Glitzern reichte aus, um sie zurück in ihr Zelt zu zwingen. Aurian zog das Zelt hinter sich zu und schloß das blendende Licht aus. Anvar grinste sie töricht an. »Wenn wir das nächste Mal in eine Stadt kommen, werde ich dein Angebot mit Vergnügen annehmen – aber ich muß gestehen, daß ich weniger unter einem gebrochenen Herzen als unter meiner Enttäuschung leide, unter der Demütigung und unter reinem Zorn auf mich selbst, weil ich so einfältig gewesen bin.« Sein Mund zuckte seltsam. »Und ich gebe mir die Schuld daran, dich im Stich gelassen zu haben.«
Aurian drückte seine Hand. »Du darfst dich nicht dafür bestrafen, Anvar – das ist jetzt alles vorbei. Sara war die Seelengefährtin deiner Jugend – du hast sie geliebt. Du konntest nicht wissen, wie sehr sie sich verändert hat. Warum versuchst du jetzt nicht ein wenig Schlaf zu bekommen? Vielleicht sehen die Dinge ja nicht mehr gar so schlimm aus, wenn du dich erst einmal etwas ausgeruht hast.«
Er lächelte kläglich. »Also kümmerst du dich wieder mal um mich? Ich dachte, es sollte gerade andersherum sein.«
»Keine Sorge, du tust deinen Teil. Und jetzt schlaf – sonst …«
»Sonst schickst du mir dieses Monster auf den Hals?« Anvar warf einen wachsamen Blick auf Shia. Sie sah in dem engen Zelt besonders gewaltig aus.
»Mach dir keine Sorgen wegen Shia. Sie ist eine gute Freundin. Sie wird sich um uns beide kümmern.« Aurian streckte die Hand aus, um Shias glänzenden Kopf zu streicheln, und wurde mit einem schläfrigen Schnurren belohnt.
»Ich mag ihn«, sagte die Katze.
»Wirklich?« Aurian war überrascht. So etwas hatte Shia noch von keinem gesagt, nicht einmal von Bohan. »Ich mag ihn auch.«
Dann drehte sie sich wieder zu Anvar um, der sich auf den Kissen zusammengerollt hatte und bereits schlief. Unter dem glitzernden Staub, der sein Gesicht überzog, sah er mitgenommen und verletzlich aus, niedergeschlagen von seinem Kummer. Einem Impuls gehorchend, streckte Aurian die Hand aus und berührte sanft seine Wange. Und dann schien sich ihr, so wie sie es schon im Sklavenlager erlebt hatte, das Herz im Leibe umzudrehen – und eins fügte sich plötzlich zum anderen. Aurian riß ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt; in diesem Augenblick begriff sie, daß diese Woge – was immer auch dahinterstecken mochte – dieselbe Kraft war, die die Macht der Armreifen aufgehoben hatte. Sie saß einen Augenblick lang ganz still da, hielt sich ihre Hand und wartete darauf, daß ihr Atem wieder ruhiger wurde und ihr Herz aufhörte, ihr schier aus der Brust springen zu wollen. »Hast du das gespürt?« fragte sie Shia versuchsweise.
»Was gespürt?« Die Antwort der Katze klang schläfrig.
»Oh, egal.« Aurian versuchte, ihre rasenden Gedanken zu ordnen, aber aus irgendeinem Grund war das einzige Bild, das ihr in den Sinn kam, das von Forrals Gesicht, zärtlich und strahlend wie an dem Tag, als sie sich zu erstenmal geliebt hatten. Trauer und Einsamkeit durchschossen sie mit einem so scharfen Schmerz, daß sie einen unterdrückten Schrei ausstieß. Unglücklich und verwirrt ließ sie ihren Tränen endlich freien Lauf und weinte sich in den Schlaf.
Irgendwann während des langen, hellen Tages warf Anvar sich herum und stöhnte; er hatte offensichtlich einen Alptraum. Seine suchende Hand legte sich in die der Magusch, und seine Ruhelosigkeit fand ein Ende. Und genauso fand Harihn sie, als der Abend heraufdämmerte: eng aneinander geschmiegt und Hand in Hand. Einen langen Augenblick lang betrachtete er sie stirnrunzelnd, bis Shia ein schläfriges Auge öffnete. Schnell und schweigend zog der Prinz sich zurück und schloß das Zelt hinter sich. Da der Mann gegangen war, ohne den Versuch zu machen, ihnen etwas anzutun, unterließ es Shia, Aurian und
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