Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
geflohen sind. Selbst in diesem Augenblick versucht das Böse schon, nach uns zu greifen, und wären da nicht die Warnungen unseres tapferen und treuen Windauges gewesen, würden wir unserem Schicksal völlig unvorbereitet entgegengehen. Aber um unserer selbst willen müssen wir vorbereitet sein. Es darf keinen Zwist mehr unter uns geben. Am Vorabend eines neuen Zeitalters habt ihr einen neuen Rudelfürsten bekommen – einen Mann, dessen Charakter in den Feuern von Schmerz und Not neu geschmiedet wurde. Früher habe ich nur von meinem Stamm genommen. Jetzt wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mich selbst zu schenken und meinem Volk zu dienen. O Xandim – werdet ihr mich als euren Rudelfürsten annehmen?«
Es herrschte ein Augenblick atemloser Stille, und dann brach tosender Jubel aus. Die Xandim stampften mit den Füßen und ließen die Schwerter gegen die Schilde klirren. Wieder und wieder riefen sie seinen Namen und scharten sich schließlich um ihn. Iscalda lief zu ihrem Bruder hinüber, und ihr Gesicht leuchtete wie die Sonne vor Erleichterung und Stolz.
»Also, da bleibt einem doch die Spucke weg«, murmelte Parric zu der Magusch. »Ich wünschte, ich hätte auch so eine Rede gehalten.«
»Hättest du auch bestimmt getan, wenn sie dir vorher nur genug Met zu trinken gegeben hätten«, erwiderte Aurian kichernd. Dann wurde sie plötzlich wieder ernst und drehte sich zu Anvar um. »Nun, war das nicht erstaunlich? Ich bin richtig stolz auf Schiannath.«
Ihr Seelengefährte nickte. »Er ist ein toller Bursche – und es ist ein toller Tag gewesen! Es sieht ganz so aus, als stünde unseren Plänen jetzt nichts mehr im Weg.«
»Du hast recht.« Aber noch während sie diese Worte sprach, spürte Aurian plötzlich das unangenehme Prickeln einer schlimmen Vorahnung. Als sie sich umsah, bemerkte sie, daß sich einer ihrer Gefährten von dem fröhlichen Tumult fernhielt. Chiamh stand ein ganzes Stück abseits und sah zu, wie die Xandim ihren neuen Rudelfürsten feierten; sein Gesicht war grau und von tiefster Verzweiflung verzerrt. Bei diesem Anblick schauderte es Aurian. »Jedenfalls hoffe ich es«, fügte sie so leise hinzu, daß niemand es hörte.
19
Der Spion
Hebba erbleichte und stieß einen leisen Schrei aus. »Die Götter stehen uns bei – es ist der Herr!« Dann ließ sie sich schwach auf einen Stuhl neben dem Kamin sinken und fächelte sich mit ihrer Schürze Luft zu. Zanna lief zu ihrer alten Freundin, der Köchin, hinüber, um sie zu trösten. Es war fast so, als sei sie endlich heimgekehrt.
Irgendwo fand Vannor noch die Kraft für ein leises Kichern. »Es ist schon gut, Hebba. Ich bin kein Geist.«
»Nein – aber bei allem Respekt, muß ich doch sagen, daß du so aussiehst wie einer.« Tarnal, der eine Schulter unter Vannors Arm geschoben hatte, führte ihn zu dem anderen weichen Stuhl hinüber; er stützte den Kaufmann, wie er ihn den ganzen langen, anstrengenden und nervenaufreibenden Weg von der Stadt hierher gestützt hatte.
»Nimm dich zusammen, Hebba«, fuhr der junge Nachtfahrer die alte Frau scharf an, und Vannor sank mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Stuhl und schloß die Augen. »Hör auf zu flennen und steh auf, damit die arme Zanna sich setzen kann – sie braucht den Stuhl im Augenblick dringender als du. Außerdem brauchen wir warmes Wasser – und hast du etwas Taillin da? Wir müssen diesen Narren Benziorn so schnell wie möglich ausnüchtern. Vannor ist verletzt.«
»Verletzt? Der Herr? Und außerdem halb verhungert, wenn ich ihn mir so ansehe – und die arme Kleine auch.« Der bloße Gedanke daran war genug, um die Lebensgeister der alten Köchin wieder zu wecken. Augenblicklich sprang sie von ihrem Sessel auf, verfrachtete Zanna hinein, legte ihr eine Decke über die Knie und suchte dann eine zweite Decke für Vannor. Als das geschehen war, begann sie, geschäftig in ihrer Küche herumzuwerken, setzte einen Kessel mit Wasser auf und durchstöberte die Schränke erst nach Eßbarem und dann nach Leinen, um Verbände anzufertigen, wobei sie die ganze Zeit über wie eine alte Henne vor sich hingackerte, um ihre Sorge zu verbergen. »Dieser Benziorn! Dieser Nichtsnutz! Warum ich ihn in meinem Haus dulde, weiß ich wirklich nicht. Also wirklich, der Kerl ist genauso nützlich wie ein Hut in einem Wirbelsturm.«
Sie drehte sich um und funkelte den Arzt wütend an, der immer noch töricht in der Tür stand und nicht recht wußte, ob er willkommen war oder
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