Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
nicht. »Na, dann komm schon rein«, fauchte Hebba ihn an und ließ dabei einen Topf auf den Tisch krachen, wie um ihre Worte zu unterstreichen. »Und schließ diese Tür da – es zieht, und der Herr wird sich noch erkälten. Du willst ein Arzt sein? Du solltest es wirklich besser wissen.«
Vannor entspannte sich und ließ ihren Wortschwall über sich ergehen, wobei er sich ganz auf die köstliche Wärme des Feuers konzentrierte, die langsam in seine unterkühlten Knochen drang. Obwohl er schmutzig und verletzt war, hungrig, durstig und erschöpft, obwohl seine verwundete Hand unerträglich pochte, als das Gefühl wieder in seine Gliedmaßen zurückflutete, überwältigte ihn eine unglaubliche Glückseligkeit, und die Dankbarkeit für seine Rettung war so gewaltig, daß sie ihm die Tränen in die Augen trieb. Welch unaussprechlicher und unerwarteter Segen, daß er und Zanna lebten und in Sicherheit waren und sogar wieder Freunde um sich hatten!
Auch Zanna hatte das Gefühl, zu träumen. Zuerst der gute Tarnal und jetzt Hebba – und sie hatte ihren Vater gerettet. Obwohl der gesunde Menschenverstand ihr sagte, daß dieses herrliche Zwischenspiel notwendigerweise kurz sein mußte, da man mittlerweile sicher schon wieder Jagd auf ihren Vater veranstaltete, schob sie diesen Gedanken für den Augenblick weit von sich. Das alles mußte warten bis morgen. Wahrhaftig, sie hatte sich diese Ruhepause verdient, und sie würde das Beste daraus machen.
Hebba kam mit einer Tasse Taillin zu ihr. »Da, mein Schatz, das wird dir guttun – und ich koche uns jetzt auch noch etwas Suppe …«
Zanna nippte dankbar an dem heißen Getränk. Sie war sicher, daß ihr noch nie im Leben etwas so gut geschmeckt hatte. Der Taillin war mit Honig gesüßt, und als sie ihn trank, konnte sie spüren, wie sich die Wärme in ihrem schmerzhaft leeren Magen ausbreitete. Als sie durch den duftenden Dampf aufblickte, sah sie, daß ihr Vater ebenfalls eine Tasse in der Hand hielt. Er blinzelte ihr zu und hob seine Tasse, um ihr schweigend und von tiefer Dankbarkeit erfüllt, zuzuprosten.
Tarnal führte einen stolpernden Benziorn im Zimmer auf und ab, wobei er pausenlos leise vor sich hinfluchte. Er hatte eine Tasse auf den Tisch gestellt und eine auf das Regal neben der Tür und gab dem prustenden Arzt jedesmal, wenn sie an diesen Stellen vorbeigingen, einen Schluck von dem starken Taillin zu trinken. Zanna sah ihm lächelnd zu, wie er sich so eifrig und zornig seiner Aufgabe widmete; er hatte die Stirn über den grauen Augen angesichts von Benziorns Unvernunft finster gerunzelt, und sein Haar glühte im Schein der Lampen wie blankpoliertes Gold. Er fing ihren Blick auf, und sein zorniges Stirnrunzeln wich einem beruhigenden Grinsen. »Keine Angst, Zanna«, sagte er zu ihr. »Ich sorge dafür, daß dieser alte Herumtreiber bald wieder einen klaren Kopf hat. Er ist ein guter Arzt, wenn er nicht zu tief in die Flasche geschaut hat, und du wirst sehen, er bringt deinen Vater im Nu wieder in Ordnung.«
Es tat so gut, ihn wiederzusehen. Obwohl sie nur ein paar Monate getrennt gewesen waren, schien er während ihrer Abwesenheit auffallend gereift zu sein. Ich frage mich, ob es ihm mit mir genauso ergeht? überlegte Zanna. Wenn sie ihn heute erst kennengelernt hätte, hätte sie gewiß einen Mann in ihm gesehen und nicht einen dummen Jungen. Ihr fiel auf, daß er stark genug war, um den widerstrebenden Arzt hinter sich herzuzerren, während er mit grimmiger Miene auf und ab schritt. Plötzlich fragte sich Zanna, was er eigentlich in Nexis tat. Da es so wichtig war, Vannor an einen Ort zu bringen, wo er sich ausruhen konnte, hatten sie auf ihrem Weg durch die Stadt keine Zeit für Erklärungen gehabt. Und wo steckte Yanis? Was tat er im Augenblick? Bei den Gedanken an den hübschen, dunkelhaarigen Anführer der Nachtfahrer versank Zanna in einen Traum …
Sie mußte wohl eingenickt sein, denn als sie die Augen wieder öffnete, war die Küche von einem köstlichen Duft erfüllt. Zannas Magen knurrte, und Hebba schüttelte sie sanft an der Schulter. »Komm, Kleines – ich weiß, daß du den Schlaf brauchst, aber du schläfst bestimmt noch besser, wenn du ein bißchen warme Suppe im Bauch hast. Dieser Benziorn sieht sich im Augenblick deinen Vater an, also kannst du jetzt einfach essen, und dann richten wir euch beiden ein ordentliches Bett her, obwohl die guten Götter allein wissen, wo wir dieses Bett unterbringen sollen oder wo wir die Decken
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