Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
Erzmagusch zog die schwereren, kräftigeren Weine vor, in deren dunklen Tiefen rubinfarbenes Feuer glomm. Nun, dagegen war nichts zu machen – noch nicht. »Wenn ich erst Erzmagusch bin«, murmelte Eliseth, »wird sich hier einiges ändern.« Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Aber bis es endlich soweit war, ließ sich in dieser Hinsicht nichts tun …
Die Wettermagusch konzentrierte ihre Kräfte auf die geschliffenen Glasfacetten der Karaffe und schloß ihre Hand um den schlanken Flaschenhals. Die Erschaffung des unnatürlichen Winters und die anschließenden Nachforschungen in Finbarrs vernachlässigten Archiven hatten sie vieles über die vergessenen und verbotenen Zauber der Kalten Magie gelehrt. Auf ihren Befehl hin prallten die Flammen im Kamin wie geschlagene Straßenköter zurück und flackerten blau auf, und das Licht der Kerzen wurde kleiner und erlosch beinahe. Ein Hauch eisiger Kälte schoß durch die Luft und legte sich auf die Flasche, um den Wein in ihrem Innern unter einem glitzernden weißen Frostfilm zu verbergen.
»Genug!« Eliseth bot dem Zauber Einhalt, bevor die Flüssigkeit gefrieren konnte und verdarb. Und dann, während sie die Karaffe noch immer vorsichtig mit dem Taschentuch festhielt, begann sie den kühlen Wein in einen Kristallkelch^ zu gießen. Dann ging sie hinüber zu ihrem Lieblingsstuhl am Feuer und setzte sich erwartungsvoll hin, wobei sie über die Ironie nachdachte, eine so alte, mächtige und tödliche Magie für etwas so Banales wie die Kühlung eines Weins einzusetzen. Aber andererseits, warum nicht? Heute abend hatte sie das Gefühl, sich ein wenig verwöhnen zu müssen. Ihre Laune bedurfte dringend der Verbesserung: denn in letzter Zeit waren die Dinge nicht allzugut gelaufen.
Es war ein Fehler gewesen, überlegte sie, ihren Zorn an ihrer Magd auszulassen, obwohl die faule kleine Schlampe eine Strafe wirklich verdient hatte. Eliseth nahm einen weiteren Schluck von dem köstlichen Wein und ließ die Erinnerung an die Qualen des Mädchens noch einmal aufleben. Unbeweglich und festgefroren hatte Inella mitten im Zimmer gestanden, und nur ihre Augen hatten ihr Entsetzen verraten, als die Magusch über ihr stand und ihre Finger bog, um den Schmerz brennender, eisiger Kälte in Inellas Körper anschwellen zu lassen. Erst nachher hatte sie den Blick verschleierten Grolls in den Augen ihrer Dienerin bemerkt und ihren Fehler eingesehen. Obwohl sie durch die Folterung der Magd ein befriedigendes und dringend benötigtes Ventil für ihre jüngsten Frustrationen gefunden hatte, hatte sie der Loyalität des Kindes möglicherweise irreparablen Schaden zugefügt – und heutzutage, rief sich die Magusch energisch ins Gedächtnis, mußte sie für jegliche Unterstützung, die sie bekommen konnte, dankbar sein.
Mit sanften Fingern strich sich Eliseth die Falten von der Stirn. Seit Miathans gehässiger Zauber ihrem Antlitz zehn weitere Jahre hinzugefügt hatte, mußte sie größte Sorgfalt auf ihre Schönheit verwenden. Aber noch war nicht alles verloren. Die dunklen Schwellungen, die Inellas Arme und Gesicht entstellten, ihre gebeugte Haltung und die steifen, unbeholfenen Bewegungen hatten Eliseth verraten, daß noch ein anderer seine Rache an ihr genommen hatte: Zweifellos hatte Janok schon lange auf eine solche Gelegenheit gewartet. Wunderbar! Eliseth fand ihr Lächeln wieder. Der Küchenmeister hatte ihr direkt in die Hände gespielt. Sie würde sich eine Weile taub stellen und zulassen, daß er das Kind mißhandelte – und dann würde sie ihn bestrafen und Inella retten; auf diese Weise würde sie sich aufs neue die Dankbarkeit ihrer Magd sichern.
Sterbliche waren ja so leicht zu manipulieren – mit einer einzigen erzürnenden Ausnahme. Als sie an Vannor dachte, ertappte sich Eliseth bei einem neuerlichen Stirnrunzeln. Sie sprang auf die Füße, füllte ihren Kelch noch einmal aus der frostigen Karaffe und schluckte den köstlichen Wein hastig hinunter, um ihren Zorn zu beschwichtigen. Seit vielen Tagen schon, während der Mond die Hälfte seines Zyklus zurückgelegt hatte, hatte sie versucht, Miathan zu überreden, ihr zu gestatten, die dunkle Energie von Furcht und Schmerz des Sterblichen zu benutzen, um ihre Zauberkraft zu schüren. In jener ersten Nacht, als sie in die Kammer des Kaufmanns hinaufgestiegen war, um ihr Glück zu versuchen, hatte der Erzmagusch ihrem Tun Einhalt geboten und seitdem Vannor für sich behalten. Er schien nicht zu begreifen, wie ungeheuer
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