Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Bursche kam, eingehüllt in einen Feuerball, aus einem brennenden Haus gerannt. Eine Nexianerin kreischte laut, als eine Phaeriefrau mit brennenden Saphiraugen ihr ihre Kinder wegriß und hoch in die Luft trug …
Und alle Opfer hatten den Blick auf den Hohen Herrn von Nexis gerichtet; anklagend, verfluchend … Wieder und wieder wiederholten sich die Szenen von Folter, Qual und Gemetzel vor Vannors Augen, während die Phaerie grauenerregend und mit kalten Augen in jeden Winkel drangen, umschleiert von der schillernden Pracht ihrer Magie …
»Vannor ist in seinem eigenen Geist gefangen«, murmelte D’arvan. »Er ist ein Sklave seiner Schuld, außerstande, sich dem Blutvergießen, das er verschuldet hat, zu stellen.« Als D’arvan seinen Vater ansah, blitzten seine Augen vor Zorn. »Nach einigen der Freveltaten, die ich in seiner Erinnerung gefunden habe, sollte er die Schuld besser denen geben, die wirklich die Verantwortung dafür tragen. Wie konntest du an solchen Grausamkeiten auch noch Vergnügen finden?«
»Es sind doch nur Sterbliche«, entgegnete Hellorin freundlich. »Wer würde meinem Volk nach dem endlosen Elend seiner langen Gefangenschaft ein wenig Spaß mißgönnen?«
D’arvan seufzte und behielt seine Gedanken für sich. Im Augenblick war das Wohlwollen seines Vaters alles, was zählte. Es würde sie nicht weiterbringen, mit ihm zu streiten. Hellorin, soviel wußte sein Sohn immerhin, würde sich niemals ändern – er war zu sehr daran gewöhnt, die Sterblichen als niedere, primitive Geschöpfe zu betrachten, die nur als Sklaven taugten – oder als Beutetiere.
»Es wird nicht einfach sein, Vannor zu befreien«, sagte er statt dessen. »Sein Geist ist in einem Kreislauf gefangen, in dem er das Entsetzen jener Nacht wieder und wieder durchleben muß. Es tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, warum er dich angegriffen hat – seine Taten scheinen ihn genauso ehrlich zu verwirren wie uns andere.« D’arvan wandte sich von Hellorin ab, damit sein Vater nicht sah, wie tief sein Erschrecken ging. In Vannors Erinnerungen hatte er unendliches Entsetzen gefunden, und dieses Erlebnis hatte ihn zutiefst erschüttert. Er wollte um jeden Preis vermeiden, noch einmal in den Geist des gequälten Mannes zurückkehren zu müssen und das alles abermals zu durchleben. »Ich wünschte, Aurian wäre hier. Sie wüßte genau, was zu tun wäre – sie hat eine ordentliche Ausbildung als Heilerin hinter sich.«
»Es gibt keinen Grund, warum du nicht auch Erfolg haben solltest«, sagte Hellorin mit einer Spur Ungeduld in der Stimme. »Und wenn nicht – nun, die Welt wird sich weiter drehen. Ein Sterblicher mehr oder weniger, das interessiert doch niemanden.«
»Außer Vannor«, entgegnete D’arvan mit fester Stimme. »O Fürst der Phaerie, es ist doch sicher nicht notwendig, diese Sache weiter zu verfolgen? Ich habe jeden Winkel von Vannors Geist erforscht, der mir zugänglich war – wie sehr du es dir auch wünschen magst, ich finde keinen Grund für seinen Angriff auf die Stadt. Laß ihn frei, ich bitte dich. Er ist dir hier ohnehin nicht mehr von Nutzen. Gestatte mir, ihn zu Aurian zu bringen – sie kann ihm helfen, wo ich versagt habe.«
»Nein. Versuch es noch einmal, D’arvan.« Der Waldfürst ließ nicht locker.
Vannor lag in dem Turmzimmer, das man D’arvan zugewiesen hatte, und zwar auf demselben niedrigen Sofa, auf dem Maya vor drei Tagen ihre kühnen Pläne entworfen hatte. Der Magusch seufzte. Unglücklicherweise hatte Hellorin sich nur allzuleicht für ihre Idee erwärmen lassen – er brannte darauf, seine Dynastie fortzusetzen, und wollte sich gleichzeitig der Hilfe seines Sohnes bei der Herrschaft über die Rasse der Sterblichen versichern. Zu diesem Zweck war er sogar bereit, auf ein oder zwei Sklaven zu verzichten – oder gar ein noch größeres Opfer zu bringen, nämlich zwei Xandim freizulassen.
D’arvan, der den schlimmen Augenblick, da er noch einmal in Vannors Geist eindringen mußte, hinauszögerte, wandte sich von dem gequälten Sterblichen ab und trat an sein Fenster. Unter ihm lag auf den niedrigeren Hängen des Hügels die atemberaubende Phaeriestadt, eine sinnverwirrende Vermischung von Phaeriemagie und Sklavenarbeit. Während der vergangenen Tage hatten sich die Ereignisse überstürzt. Im Laufe der langen Jahre ihres Exils waren die Phaerieheiler wahre Meister in der Manipulation der Fruchtbarkeit Sterblicher geworden, denn das Waldvolk war außerstande gewesen, sich
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