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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Augenblick lang standen beide Katzen wütend und zischend da, bis sich plötzlich eine träge Süße ihrer bemächtigte und sie sich ganz allmählich zu entspannen begannen. Kopfschüttelnd und wie betäubt sahen sie sich um, während die Welt um sie herum plötzlich wieder klar wurde. Khanu, dem aus einem zerkratzten Ohr das Blut tropfte, kam schnurrend zu ihr, um den Kopf an ihrem Hals zu reiben, aber Shia versteifte sich plötzlich unter seiner Liebkosung. »Khanu!« rief sie entsetzt. »Hast du gesehen, wo wir sind?«
    Khanu sah sich um – und sein Schnurren blieb ihm in der Kehle stecken. »Schnell – wir müssen weg von hier! Schnell!«
    Aber er war zu spät. Ihre wilde Jagd hatte die beiden Katzen vollkommen unbemerkt über den Drachenschwanz geführt. Jetzt befanden sie sich auf den verbotenen Hängen des Stahlklaue – und etwas war sich ihrer Anwesenheit bewußt.
     
    Aurian versteifte sich, als sie zum ersten Mal das Heulen hörte, das der Wind wie ein fernes Echo zu ihr herüber wehte. Shia war in Schwierigkeiten. Im ersten Schrecken hatte sie beinahe den Halt verloren, so daß sie nun verzweifelt versuchte, ihr Gleichgewicht auf dem schmalen Felsvorsprung wiederzugewinnen. Als die Gefahr vorüber war, preßte sie sich zitternd, gegen den Stein, und ihr Herz hämmerte so heftig, daß das Blut in ihren Ohren rauschte wie die Brandung des Meeres. Sobald sie sich einigermaßen gefaßt hatte, streckte sie ihre Gedanken nach der großen Katze aus – und traf auf einen solchen Tumult roher, ungezügelter Gefühle, daß sie ihr Bewußtsein hastig zurückriß, als hätte sie sich verbrannt.
    »Oho!« Trotz ihrer gefährlichen Position kicherte die Magusch vor Erleichterung wie auch vor Erheiterung. Shias Heulen hatte seinen Ursprung also in der Leidenschaft, nicht in der Gefahr. Bei dem Gedanken an kleine, zottelige, schwarze Kätzchen huschte ein Lächeln über Aurians Züge – obwohl ihr klar war, daß dies ihre Mission noch dringlicher machte. Nur allzugut erinnerte sie sich an ihre eigene schlimme Schwangerschaft in den Bergen, und sie wollte nicht, daß Shia denselben Unbequemlichkeiten und Gefahren ausgesetzt wurde.
    Bei der Erinnerung an die Unbequemlichkeit und die Gefahr, in der sie sich selbst gegenwärtig befand, löste Aurian ihre Gedanken jedoch schnell von den Katzen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die vor ihr liegende Aufgabe. Sie mußte ihr Ziel mittlerweile doch erreicht haben? Aber als sie zu dem hoch über ihr aufragenden Turm hinaufblickte, der nur drei Armeslängen von den Klippen entfernt stand, wurde ihr klar, daß sie noch immer einen beachtlichen Weg vor sich hatte. Voller Bitterkeit dachte sie an ihren letzten Aufenthalt hier oben, als Ibis und Falke Anvar und sie selbst zu dem Turm hinaufgetragen hatten – und sie hatte zugesehen, wie Chiamh mit fliegenden Füßen diesen schmalen Ziegenpfad hinauf gehuscht war, als wäre er die breiteste Straße der Welt. »Wie hat er das nur geschafft?« murmelte Aurian zornig vor sich hin. »Es ist nicht gerecht!« Mit großer Anstrengung gelang es ihr, sich zusammenzureißen. Ich habe jetzt mehr als die Hälfte hinter mir, dachte sie, um sich Mut zu machen. Das ist allein schon eine ziemliche Leistung für eine Magusch mit Höhenangst. Also los, ich werde im Handumdrehen auf dem Gipfel sein!
    Aurian nahm ihren ganzen Mut zusammen. In geduckter Haltung kroch sie den schmalen, steilen Felsvorsprung hinauf, da sie es nicht wagte, sich aufzurichten. Ihre Knie bekamen Schürfwunden und Schnitte ab, und ihre Hände waren zerkratzt und blutig. Trotz der kalten Nachtluft war sie schweißnaß von Angst und Anstrengung, und der Schweiß sickerte in ihre Augen und brannte so furchtbar, daß sie kaum noch etwas sehen konnte. Um ihr Unbehagen noch zu vergrößern, stach ihr der Erdenstab bei jedem Schritt in die Rippen: eine schmerzhafte und gefährliche Ablenkung, wo sie doch ihre ganze Aufmerksamkeit für den Weg brauchte.
    Zwischen dem Kliff und dem Turm klaffte ein Abgrund, so dunkel, so tief und so schmal, daß Aurian nicht einmal mit ihrer Maguschsicht bis auf den Grund schauen konnte. In gewisser Weise war es nur gut, daß sie nicht sehen konnte, wie tief sie fallen würde; andererseits hatte da, wo ihr Augenlicht endete, ihre Phantasie die unerfreuliche Neigung, das Kommando zu übernehmen. Außerdem lagen weite Teile des Felsvorsprungs ebenfalls in den tiefen, trügerischen Schatten, so daß Aurian sich zitternd millimeterweise

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