Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Magusch seufzte, knöpfte ihren Umhang zu und schnallte ihr Schwert an den Gürtel.
»Sieh zu, daß du den Stab dabei hast«, flüsterte Chiamh. Achselzuckend ließ Aurian ihn wie gewöhnlich durch ihren Gürtel gleiten und hängte sich obendrein noch die Harfe über, bevor sie sich ihren Umhang fester um die Schultern zog und ihre Stiefel überstreifte. Dann stahl sie sich leise, um die anderen nicht zu wecken, aus der Höhle, folgte dem Windauge und fragte sich, was im Namen aller Dämonen nun wieder geschehen war.
Als sie die Höhle verlassen hatten, liefen sie Shia über den Weg, die am Eingang Wache stand. »Was habt ihr zwei denn jetzt wieder vor?« fragte sie.
»Wir wollen nur rauf in meine Kammer der Winde«, erwiderte Chiamh.
»Was?« zischte Aurian laut. »O nein, das wollen wir auf gar keinen Fall!«
Sie wollte gerade in die Höhle zurückkehren, als Chiamh sie am Arm festhielt. »Wirklich, diese Sache ist wichtig«, beharrte er. »Komm mit nach draußen, wo wir reden können.«
Die Magusch ging mit ihm bis zum Teich, dessen Wasserfall wie eine Woge bleichen Rauches schien und dessen unruhige Oberfläche unter dem zarten Gewebe des Mondlichts schimmerte. Hier blieb Aurian stehen und fuhr, die Hände in die Hüften gestemmt, zu dem Windauge herum. »Also?«
»Hör zu«, sagte Chiamh drängend, »ich weiß nicht viel über diesen Miathan, aber eins weiß ich gewiß – du solltest nicht versuchen, ihn ohne den Erdenstab aufzuspüren. Ich habe Basileus von den Schwierigkeiten erzählt, die du mit dem Stab hattest – und er glaubt, wir können das wieder in Ordnung bringen.«
Einen Augenblick lang glaubte Aurian, ihn nicht richtig verstanden zu haben. Dann gewann ihr Zorn die Oberhand. »Du hast mit Basileus gesprochen?« sagte sie mit trügerisch ruhiger Stimme. »Du hast meine Privatangelegenheiten – meine persönliche Schmach – mit diesem Moldan beredet?«
»Verflucht, was hätte ich denn tun sollen?« gab das Windauge zornig zurück. »Er wußte es, Aurian. Er hat mich danach gefragt. Er ist ein Erdelementarwesen – er konnte sofort spüren, daß mit dem Stab etwas nicht stimmte.«
»Nun, wenn er es wußte, warum hat er nicht mich danach gefragt?«
»Weil er erst herausfinden wollte, ob er dir helfen könnte, bevor er mit dir sprach«, erklärte Chiamh ihr geduldig. »Er wollte dir nicht umsonst Hoffnung machen.«
»Mir Hoffnung machen?« wütete Aurian. »Ich bin doch kein Kind mehr!«
»Dann hör auf, dich wie eins zu benehmen, verdammt«, brüllte Chiamh sie an. »Hörst du nicht, was ich sage? Basileus kann dir helfen. Oder möchtest du diese eine unbezahlbare Chance, den Stab zu retten, deinem verfluchten sturen, steifnackigen Maguschstolz opfern?«
Die Magusch schloß abrupt den Mund. Sie hatte noch nie zuvor erlebt, daß das Windauge die Beherrschung verlor. Der Schock kühlte ihren Zorn augenblicklich ab, als hätte Chiamh einen Kübel Eiswasser über ihr ausgegossen statt heißer Worte. »Es tut mir leid, Chiamh«, sagte sie. »Ich benehme mich wie eine Närrin. Es ist nur so …« Ihre Stimme brach, und sie räusperte sich. »Ich schäme mich so sehr für das, was ich getan habe.«
Das Windauge griff nach ihren Händen. »Wenn der Stab seine Macht zurückgewinnt, wirst du dann endlich glauben, daß du dir vergeben kannst?«
Der Anflug eines Lächelns stahl sich in die Züge der Magusch. »Weißt du was? Ich glaube, das wäre durchaus möglich.«
»Gut. In diesem Fall sollten wir uns gleich an die Arbeit machen.« Chiamh zeigte auf die Zinnen des Turms. »Deine erste Aufgabe besteht darin, zur Kammer der Winde hinaufzuklettern.«
Aurian machte ein entsetztes Gesicht. »Müssen wir das wirklich tun? Wir könnten doch bestimmt hinauf fliegen – das wäre viel ungefährlicher.«
»Nein«, entgegnete das Windauge entschlossen. »Das war es nicht, was Basileus gesagt hat. Er sagte, wenn du dein Vergehen wiedergutmachen willst, müßtest du dich dieser Herausforderung stellen und deine eigene Furcht bezwingen. Und vielleicht hast du bemerkt, daß ich nicht ›wir‹ sagte. Es tut mir leid, Aurian. Ich fürchte, das ist etwas, das du allein tun mußt.«
27
In der Kammer der Winde
Nachdem Aurian die Höhle verlassen hatte, wurde Shia von Minute zu Minute unruhiger. Zuerst sagte sie sich, daß ihre düstere Laune Kummer über das Rätsel ihres verschwundenen Volkes war – oder vielleicht hatte sie einfach ein Gefühl des Unbehagens beschlichen, weil Aurian mitten in
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