Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
fand der Moldan die Stelle, an der das Netz unterirdischer Durchgänge auf das Kanalsystem von Nexis traf, und wieder befiel ihn maßloses Erstaunen. Wahrhaftig, dachte er schadenfroh, diese selbstherrlichen Narren haben ein ungeheuer verletzliches Gewebe aus verborgenen Pfaden geschaffen, das sich unter ihrer ganzen Stadt erstreckt. Wie gern ich diese Stadt um sie herum einstürzen lassen würde, bis nur noch Ruinen übrig sind …
Doch zu seinem Kummer war Ghabal nicht mehr, was er einst gewesen war, bevor die Magusch ihn besiegt und zerbrochen hatten. Er verfügte nicht mehr über seine frühere Macht und würde noch lange nicht über diese Macht verfügen – nicht bis die unermeßlichen Energien der Erde ihm Erneuerung geschenkt hatten. Außerdem, welchen Sinn hätte die Vernichtung der Stadt gehabt? Mit einer Zerstörung von solchen Ausmaßen würde er lediglich seine letzten Kräfte vergeuden, und das für nichts und wieder nichts, denn die Magusch selbst waren fort. Seine bloße Rückkehr in Bewußtheit und Freiheit war ein deutlicher Beweis dafür. Was war aus seinen Feinden geworden, fragte er sich. Er hoffte, daß ihr Sturz so viel Leiden und Qual mit sich gebracht hatte wie nur möglich.
In seiner Neugier zog der Moldan sich aus dem weitverzweigten System der Abwasserkanäle zurück und tastete sich ein wenig vorsichtiger durch die Katakomben unter der Akademie selbst. Vielleicht fand er dort irgendwo einen Fingerzeig, der ihm den Niedergang einer so mächtigen Rasse wie der der Magusch erklärte. Aber zu seiner Enttäuschung waren in der Struktur des Steins keine Erinnerungen eingeschlossen, wie die Moldan sie zur Bezeugung ihrer Taten zu hinterlassen pflegten. Die gewaltige Sammlung von Büchern und Schriftrollen bedeutete ihm nichts – sie waren in seinen Augen lediglich Haufen verwesender, stinkender Pflanzen- und Tierreste, und er fragte sich, warum die Magusch solchen Unrat unter ihrem Heim duldeten.
Ghabals Gedankenfühler erreichten die Kammer der Todesgeister und prallten, von Grauen erfüllt, zurück. Sie zogen sich im Kern seines Bewußtseins zusammen wie die Tentakel eines Seeungeheuers. Es war der Zeitzauber, den er nur allzugut kannte. Man hatte ihn in der Vergangenheit sehr wirkungsvoll auch gegen ihn gewandt. Aber was war sonst noch hier? Etwas, das nach böser Magie stank – ein Grauen, das selbst die dunkelsten Phantasien eines Moldans überstieg. Wenn die Magusch es gewagt hatten, sich mit solch bösartigem Greuel einzulassen, dann war ihr Niedergang wahrhaftig verdient und konnte keine Überraschung gewesen sein!
Zaghaft nahm der Moldan seine Erkundungen wieder auf. Diesmal gab er gut acht, nur ja die Kammer der gefürchteten Geister zu meiden, und war die ganze Zeit auf weitere unangenehme Überraschungen gefaßt. Immer mehr Gemächer, mehr Trümmer und Schutt – bis er plötzlich abermals auf das kalte, metallische Prickeln eines Zeitzaubers traf. Ghabal verharrte jäh. Hier war ein Magusch! Ein Sproß des verfluchten, verachteten Maguschvolkes! Hätte der Moldan eine körperliche Stimme besessen, hätte er ein zorniges Geheul ausgestoßen. So aber erzitterte die ganze Stadt unter der Gewalt seines Grolls.
Schließlich beruhigte Ghabal sich wieder. Einer von dieser unheiligen Brut hatte die Vernichtung der Magusch also überlebt. Zumindest einer von ihnen war übriggeblieben, den die Rache der Moldan treffen konnte! Mit einem einzigen dünnen Faden seines Bewußtseins näherte sich Ghabal sehr vorsichtig dem äußeren Bezirk des Zaubers. Er suchte nach einer Schwachstelle, von der aus er den Zauber in etwas weit Tödlicheres verwandeln konnte. Der Moldan ging mit äußerster Vorsicht zu Werke – es war nicht ratsam, in das Feld eines Zeitzaubers einzudringen, wenn sein Schöpfer nicht mehr zugegen war, um die Magie zu erneuern –, und gelegentlich gelang es dem Opfer, sich mit Gewalt zu befreien …
Zu spät. Ein Magiestrahl zischte aus dem Nirgendwo auf ihn herab, brannte sich seinen Weg längs des Gedankenfadens des Moldans und bohrte sich mitten in den Kern seines Bewußtseins. Plötzlich war Ghabal vollkommen gelähmt und all seine äußeren Sinne abgeblockt.
»Hab ich dich!« Die brüchige alte Stimme hallte grimmig und grausam durch den dunklen, eingeschlossenen Kern von Ghabals Bewußtsein.
»Du hast gar nichts, Magusch!« fauchte der Moldan, obwohl seine Worte nichts als leere Prahlerei waren. Während er sprach, versuchte er, sich hastig den Fesseln des eisernen
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