Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
begann sie sich in seinen Verstand zu wühlen, entriß ihm mit gnadenloser Gewalt jegliche Informationen und zerfetzte seine Gedanken ohne Rücksicht auf die Qualen, die sie ihm verursachte. Statt dessen genoß sie die lautlosen Schreie seines gefangenen und gefolterten Geistes, während sein Körper sich vor Pein zusammenkrampfte. Eliseth kostete den Augenblick voll aus. Wenn sie Anvar Schmerzen zufügte, traf sie damit auch Aurian – und obwohl sie an das Wissen, das sie benötigte, weit müheloser herangekommen wäre, hätte sie ihr Opfer getötet und unter ihre Kontrolle gebracht, wie sie es bei Bern getan hatte, zog sie es vor, ihm ihren Willen aufzuzwingen und ihn leiden zu lassen.
Die ganze Geschichte der langen Reise ihrer Feindin strömte so schnell in Eliseths Gehirn, daß sie den Einzelheiten nicht mehr folgen konnte, aber das kümmerte sie nicht. Solange sie die Informationen in ihrem Gedächtnis hatte, konnte sie später und mit Muße in Erfahrung bringen, was sie wissen wollte. Als sie endlich sicher war, daß sie Anvars Geist alles geraubt hatte, was sie haben wollte, zog sie sich zurück, griff nach ihrem Dolch und blickte mit eisiger Verachtung auf die letzten Krämpfe seines gequälten, zuckenden Leibes hinab. Dann ließ sie sich mit einem Knie auf seinem Rücken nieder, riß seinen Kopf an den Haaren hoch und löste ihren Zauber auf. Sie spürte, wie sein Körper sich anspannte, als er langsam zu Bewußtsein kam. Im selben Augenblick schnellte ihre Hand herab, und ihre scharfe Klinge zischte über seine Kehle, bis sich ein Schwall tiefroten Blutes über ihre Finger ergoß. Während Anvars Leben sich unter ihr verströmte, warf Eliseth den Kopf in den Nacken und stieß ein triumphierendes Lachen aus.
Diesmal wurde Anvar so schnell durch das graue Portal des Todes geschleudert, daß er kaum Zeit fand, die kunstvollen Gravuren zu bemerken. Bevor er recht wußte, wie ihm geschah, fand er sich erschrocken, bestürzt und voller Zorn in dem silbrigen Halblicht der Welt jenseits des Portals wieder, und vor seinen Füßen lag der Pfad in die Ewigkeit.
»Nein!« Noch während er laut seinen Protest heulte, schlug die Tür hinter ihm mit einem leisen Knarren zu, das den furchtbaren Unterton des Endgültigen hatte. Unter wilden Flüchen warf Anvar sich wieder und wieder gegen die unnachgiebige Tür – aber ohne Erfolg. Plötzlich kehrten die Erinnerungen an Schmerz und Hilflosigkeit zurück, und einen Augenblick lang spürte er noch einmal, wie Eliseths Gedanken sich brennenden Klauen gleich durch seinen Geist wühlten – und dann Eliseths Messer an seiner Kehle. Anvar hörte auf, gegen die Tür zu hämmern. Während die kalte Furcht tief in seinem Wesen langsam zu gerinnen schien, fielen seine Hände schlaff an ihm herab. Mit wachsendem Entsetzen begriff er, daß dieser Aufenthalt im Reich des Todes von anderer Natur war als sein letzter Besuch, bei dem er freiwillig hierher gekommen war und später wieder gehen durfte. Er dachte an Aurian und hatte plötzlich ein unglaublich klares Bild ihres ernsten Gesichts mit den starken Knochen und dem flammenden Haar vor sich. Bei dem Gedanken, sie zu verlieren, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz, der sich wie ein Dolch in sein Herz bohrte. Das kann nicht wahr sein! Seine Gedanken überschlugen sich in hilfloser Panik. Ich kann nicht tot sein!
Plötzlich spürte Anvar eine Hand auf seiner Schulter. »Laß mich los!« fauchte er, und seine Stimme brach vor Angst. Noch während er herumfuhr, rief eine Stimme hinter ihm: »Anvar? Junge – du bist es wirklich!«
Zu seinem maßlosen Erstaunen blickte Anvar in Forrals Gesicht.
»Was ist passiert?« fragte ihn der Schwertkämpfer scharf. »Wie bist du gestorben? Wo ist Aurian?« In seiner Gier, endlich mehr zu erfahren, packte er Anvar bei den Schultern und schüttelte ihn ungeduldig, während der Magusch selbst vergeblich versuchte, Ordnung in das Durcheinander seiner Gedanken zu bringen.
»Forral – laß ihn in Ruhe.«
Anvar kannte diese unheilschwere, kalte Stimme nur allzugut. Er blickte auf und schauderte. Der Tod schien seine Eremitenmaske bei jemandem, der schon einmal durch sein Reich gegangen war, überflüssig zu finden, und seine dunkle, in ein Leichentuch gehüllte Gestalt erhob sich turmhoch über die beiden Männer am Tor. Aber die Aufmerksamkeit der Geistererscheinung galt ausschließlich Forral. »Diese Sache ist jetzt weit genug gegangen«, fuhr er ihn an. »Sterblicher, wirst du denn nie
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