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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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hatte mal zu Hadrian gesagt, ein Besuch bei ihren alten Freunden Morgan und Helen sei wie der Ausflug in ein leibhaftiges Märchen.
    »Genau!«, hatte Morgan ausgerufen, als Hadrian ihm davon erzählt hatte. »Und deshalb habe ich auch Hoffnung für alle anderen.«
    »Du musst Jori dazu bringen, nach Carthage zurückzukehren«, sagte Hadrian, ohne seinen Blick von der Bärin abzuwenden. »Sobald sie wieder bei der Polizei ist, kann sie bestimmt für ihre Sicherheit sorgen.«
    »Nein«, ertönte Helens schwache Stimme. Hadrian wandte den Kopf und sah sie am Eingang der Kammer stehen. »Sie ist noch nicht so weit. Sie ist schrecklich losgelöst.«
    »Losgelöst?«, fragte Hadrian.
    »Wir unterhalten uns manchmal. Was sie in letzter Zeit erlebt hat – sowohl in Carthage als auch im Norden – hat ihre Weltsicht erschüttert. Sie hat ihren Anker verloren.«
    »Ein Anker ist ein Luxus, den niemand sich mehr leisten kann.«
    »Red kein dummes Zeug, Hadrian Boone. Und sprich nicht so streng über dieses wundervolle Mädchen. Sie ist fastgestorben, um dein Leben zu retten. Und erst nachdem sie wusste, dass du es schaffen würdest, hat sie sich auch wieder um sich selbst gekümmert. Du verdammter Narr, du wirst zu ihrem Anker.«
    Morgan drehte sich um und verließ mit seiner Frau die Kammer. Hadrian blieb noch. Die müde alte Bärin öffnete ein Auge und starrte ihn tadelnd an.
     
    Am nächsten Tag, während Jori noch schlief, stieg Hadrian mit Morgan zur Arbeit auf den Grat hinauf. Sobald die Höhle hinter ihnen lag, fragte er seinen Freund nach Jonahs Nachricht, die Dax am Pfad hinterlegt hatte.
    »Ich hatte auf Neuigkeiten von euch gehofft«, sagte Morgan, »aber es war weniger eine Botschaft als eine Bestellung. Pflanzen. Schwer zu findende Kräuter.«
    »Pflanzen wofür?«
    »Keine Ahnung. Jonah hat doch ständig experimentiert. Ich habe fast die ganze Woche mit der Suche verbracht, aber nach allem, was ihr beide für uns getan hattet, war ich gern behilflich.« Morgan reichte Hadrian einen schmalen Spaten und zeigte auf eine Reihe Zwiebeln.
    Hadrian hatte von früher einen belebten Hof in Erinnerung, mit Ziegen, Hähnen und Hennen, deren Gehege entlang der schlichten Palisade standen, die Raubtiere fernhielt. Während sie nun Zwiebeln aus dem gefrorenen Boden stemmten, fiel Hadrians Blick auf die leeren Ställe. »Ihr habt euren Tierbestand reduziert«, stellte er fest.
    »Wie es sich für echte Gutsbesitzer gehört.« Morgan grinste. »Helen hat immer gesagt, ich sei kein wirklicher Landwirt, sondern eher ein feiner Herr. Von hier aus kann ich die entlegensten Farmen in einer Stunde erreichen. Die Leute dort sind immer gern bereit, ihre Lebensmittel gegen Felle oder frisches Wildbret einzutauschen.«
    Es gab hier inzwischen keine Hähne mehr und nur noch zwei alte Milchziegen. »Helen hat die Gockel doch so gemocht«, sagte Hadrian.
    »Zu laut«, murmelte Morgan.
    Hadrian ließ seinen Eimer Zwiebeln sinken. »Heißt das, ihr müsst euch wieder gründlicher verstecken?«
    »Das Leben geht weiter. Es gibt überall Veränderungen. Sonst wärst du nicht hier.«
    Hadrian ging zu ihm und stellte einen Fuß auf Morgans Schaufel. »Was ist passiert?«
    »Nichts. Wir sind Überlebende. Die Hähne haben eine großartige Suppe abgegeben. Und die anderen Ziegen genießen nun ihre Freiheit in den Bergen.«
    »Was ist passiert?«, wiederholte Hadrian.
    Morgan schaute hinaus zu den fernen Wolken. »Es ist jetzt etwas mehr als sechs Monate her. Ich war auf der Jagd und schon zwei Stunden einem großen Hirsch gefolgt. Dabei bin ich den Siedlungen näher gekommen als üblich, und plötzlich hörte ich furchtbare Schreie. Ich lief los, um zu helfen, aber als ich die Männer sah, bin ich hinter einem Baumstumpf in Deckung gegangen und habe mein Fernglas genommen. Sie waren zu sechst – plus der arme Teufel, den sie an einen Stamm gefesselt hatten. Sie haben ihn aufgeschlitzt wie eine Rinderhälfte, und zwar mit einem riesigen Messer, das man von einem Schwert heruntergeschliffen hatte.« Morgan hielt inne. Die Erinnerung machte ihm sichtlich zu schaffen.
    »Der Holländer? Du hast gesehen, wie sie den Holländer ermordet haben?«
    »Du vergisst, wie lange wir schon von der Kolonie weg sind, Hadrian. Ich kenne dort nur noch wenige Gesichter oder Namen. Es war der Mann, dem die große Farm im Süden gehört hat, wo Rennpferde gezüchtet werden.«
    »Man hat ihn den Holländer genannt. Van Wyck.«
    »Van Wyck«, wiederholte Morgan. »Er

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