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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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ist, wie du sagst, kann man damit eine Bevölkerung wesentlich effektiver in Schach halten als mit Patronen«, stellte Morgan fest. »Wer es benutzt, wird nicht nur dein Sklave, er bezahlt dich auch noch für dieses Privileg.«
    Hadrian zerrieb etwas von dem Pulver zwischen Daumen und Zeigefinger. Auch an Jansens Fingern hatte dieses Pulver geklebt. Hadrian war davon ausgegangen, der Polizist habe vor seinem Tod die geschmuggelten Gewürze untersucht.
    »Es muss doch simplere Transportmöglichkeiten geben«, sagte Hadrian schließlich. »Warum all die Mühe mit diesen Patronen?«
    Morgan bog die Lasche behutsam wieder zu und stellte die Patrone auf den Tisch. »Du sagst doch, dass dieser Sauger gern mit den Leuten spielt. Er ist darauf angewiesen, dass die Fischer tun, was er will. Sie sind Abtrünnige und Raufbolde, die die Regierung verachten. Waffen zu schmuggeln, die gegen die Behörden eingesetzt werden sollen, läge genau auf ihrer Linie. Drogen zu schmuggeln, die ihre Kinder paralysieren, hat hingegen nichts Robin-Hoodhaftes an sich. Und wie könnte man die Polizei besser einschüchtern, als das Gerücht zu nähren, den Beamten drohe ein Sperrfeuer aus Schrotflinten, falls sie etwas versuchen?«
    Hadrian wollte inständig, dass sein Freund sich irrte. Aber im Herzen wusste er, dass Morgan hier gerade auf die Wahrheitüber die Schrotpatronen und Kinzlers rätselhafte Lieferungen gestoßen war. »Wieso konnte ich es nicht sehen?«, fragte er verbittert.
    »Weil ein Teil von dir möchte, dass ein Aufstand gegen Buchanan Erfolg hat.«
    Die Worte trafen Hadrian tief im Innern. Nicht nur, weil er wusste, dass sie wahr waren, sondern weil sie bedeuteten, dass man auch ihn zu einer Schachfigur in dieser Verschwörung gemacht hatte.
     
    Die fünf Reiter tauchten eine Stunde nach Tagesanbruch auf. Drei von ihnen führten schwer beladene Packpferde. Die beiden anderen hatten Gewehre umgehängt und sahen wie Geleitschutz aus. Hadrian, der schreckliche Angst hatte, in seinem oberhalb gelegenen Versteck entdeckt zu werden, hob vorsichtig Morgans Fernglas. Die zwei Bewaffneten waren große dunkelhäutige Männer mit dem wilden Äußeren von Sankt Gabriel. Als Hadrian gerade den Größeren im Blick hatte, wandte dieser sich im Sattel um. Es war Sebastian, sein Aufpasser aus Sankt Gabriel.
    Noch lange nachdem der Trupp im Wald verschwunden war, starrte Hadrian ihm hinterher. Es gab kaum Antworten, immer nur neue Fragen. Mit diesen geheimen Transporten wurden schon seit Monaten Vorräte irgendwohin gebracht, und Männer aus Sankt Gabriel gingen in Carthage ungehindert ein und aus. Er dachte an seine Gespräche mit Sauger zurück, der alles über Carthage zu wissen schien, sogar über die Regierungskreise. Und als Buchanan einen geheimen Scout nach Süden geschickt hatte, war der ermordet worden, bevor er auch nur die Stadt verlassen konnte.
     
    Der Abend war kalt, die Luft dünn und klar. In der Ferne schimmerte der See in allen Farben des Spektrums. Hadriansaß weit oben auf einem Fels und verfolgte gebannt, wie die Strahlen des Sonnenuntergangs sich mit den Anfängen eines Nordlichts mischten und in dem jüngst gefrorenen Eis spiegelten.
    »Sie werden nicht bleiben, richtig?«, erklang die Stimme unerwartet aus dem Schatten des Pfades hinter ihm. Jori wartete nicht auf eine Antwort. »Helen wird ja so enttäuscht sein.«
    Dies war das erste Mal, dass sie sich seit ihrer Erkrankung nach draußen wagte. Es erklärte auch, weshalb ihre Gastgeberin beschlossen hatte, heute Abend ein regelrechtes Festmahl aufzutischen.
    »Sie sagt, wir sollen in einer Viertelstunde zum Essen kommen.«
    »Schauen Sie sich den Sonnenuntergang an«, sagte er unbeholfen und blickte lange in den Schatten, bis ihm klar wurde, dass sie weggegangen war. »Ich breche vor Tagesanbruch auf«, erzählte er dem leeren Pfad. »Falls ich es den beiden sagen würde, würden sie nur versuchen, mich davon abzuhalten, und mich fragen, wie ich am Leben bleiben will. Es würde uns den Abend verderben.«
    Später am Tisch saß dann jedoch keine Polizeibeamtin, sondern eine Frau, die Hadrian noch nicht kannte. Sie trug ein leuchtend blaues Kleid mit einer gelben Schärpe, und ihr langes rotbraunes Haar hing offen über ihre Schultern. Um ihren Hals lag eine goldene Kette, und ihre eleganten Schuhe stammten aus einer anderen Welt. Sie saßen einander gegenüber, und Jori wagte es kaum, ihn anzusehen. Einen Moment lang, als sie ihm gerade eine Schüssel Kartoffeln

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