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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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prasselnde Feuer und bittere Geschmäcker auf seiner Zunge – und alles begleitet von dem ständigen Schmerz in seiner Schulter, bohrend wie von einer Klinge. Das Bewusstsein tanzte knapp außerhalb seiner Reichweite, senkte sich nie ganz über ihn, gestattete es ihm aber schließlich, an einem warmen dunklen Ort zu verweilen.
    Dann war er plötzlich wach und packte die dicke Deckeaus Biberpelz, unter der er lag. Das walnussfarbene Gesicht, das ihm zunickte, wurde durch das Licht einer einzelnen Kerze erhellt.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte Hadrian mit einer Stimme, die er nicht wiedererkannte.
    »Das war ich nicht. Sie wusste nicht genau, wohin sie wollte, als ich sie rufen gehört habe. Sie hat dich in dem Eissturm den Pfad hinaufgeschleppt.« Sein alter Freund Morgan wies auf Jori, die mit einem Umhängetuch auf der Platte des großen steinernen Kamins saß. »Sie ist die ganze Zeit bei dir geblieben, fast zwei Wochen, und die ersten Tage hat sie nur geweint. Helen musste ihr Nieswurz in den Tee mischen, damit sie endlich schlafen konnte.«
    Eine Hand streckte sich über die Schulter des Schwarzen hinweg nach ihm aus. Hadrian brauchte seine ganze Kraft, um sie zu nehmen und zu drücken. »Du hast uns mächtig Angst eingejagt«, sagte die blinde Frau. Helen bückte sich und zog die schwere Felldecke höher. Hadrian ließ ermattet den Kopf zurücksinken.
    Als er nachts erwachte, saß Jori auf einem Hocker neben ihm und ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Warum?«, fragte Hadrian. »Sie hätten mich im Sturm meinem Schicksal überlassen und nach Carthage zurückkehren können.«
    Die Frage schien die Polizistin zu ärgern. »Ich habe es jedenfalls nicht für den sich selbst hassenden Mistkerl getan, den ich kenne, sondern für den Mann, der uns früher kleine Waschbären in den Unterricht mitgebracht und uns Longfellow vorgelesen hat.« Als er ihren Arm berührte, stieß sie seine Hand grob zurück.
    Am nächsten Tag konnte er sich schon aufsetzen und sogar den Tisch erreichen, an dem Helen heiße Kürbissuppe in die Schalen füllte.
    »Sergeant Waller sagt, dass man versucht, dich zu töten.« Morgan schüttelte besorgt den Kopf.
    Hadrian ließ den Blick durch das behagliche unterirdische Heim schweifen, in dem das Paar seit mehr als zwanzig Jahren lebte. Als Helen damals zu erblinden anfing, hatte den beiden die Verbannung aus Carthage gedroht, doch Hadrian und Jonah hatten sie versteckt und ihnen dann zur Flucht in die steilen östlichen Berge verholfen.
    Der Duft von Helens Brot im Ofen ließ ihn nun fast in Tränen ausbrechen.
    »Vielleicht könnte ich ja einige Jahre bei euch wohnen«, sagte er mit wehmütigem Lächeln. Dies war die bemerkenswerteste Behausung, die er jemals gesehen hatte. Sie bestand aus zwei benachbarten Höhlen und war nach außen so geschickt mit Steinen und Mörtel getarnt, dass sie sich harmonisch in die Felswand einfügte. Auf dem Grat über ihnen gab es Gärten und Ställe, die von hier aus durch ein Netz aus Trichtern und Spalten zugänglich waren, teilweise versehen mit eingemeißelten Trittstufen. Hadrian schaute zu Jori, die vor dem Kamin schlief. »War sie schon weiter hinten?«, fragte er.
    Helen lächelte wissend. »Hier bleibt niemand ohne Aphrodites Einverständnis.«
    Morgan reichte Hadrian einen Arm als Stütze, nahm eine Kerze und führte ihn durch einen Tunnel bis zu einer rückwärtigen, nach Moschus riechenden Kammer. Die Höhlen waren leer gewesen, als Morgan sie einst im Sommer gefunden hatte. Als dann die ursprüngliche Bewohnerin ihren Winterschlaf antreten wollte, hatten die beiden Menschen sich bereits dort niedergelassen und waren nicht geneigt, wieder zu verschwinden.
    Hadrian näherte sich der zottigen alten Bärin nur bis auf wenige Meter und kniete sich hin. Sie beobachtete ihn müde.Aphrodite lag auf einem dicken Bett aus Zedernzweigen und bereitete sich auf ihren sechsmonatigen Schlaf vor. Das erste Zusammentreffen vor vielen Jahren war nicht reibungslos verlaufen, aber Helen und Morgan hatten resolut ihren Anspruch auf die vordere Höhle durchgesetzt, und Aphrodite war letztlich zu dem Schluss gelangt, dass es genug Platz für alle gab. Seitdem waren die drei treue Gefährten geworden.
    »Sie hat dich wiedererkannt«, erklärte Morgan. »Sie ist sogar zu dir gekommen und hat dir das Gesicht abgeleckt, als sie am ersten Tag aufgewacht ist. Jori wäre fast vor Angst gestorben, aber am Ende hat sie das alte Mädchen an sich schnuppern lassen.«
    Jonah

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