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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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einmal um Jahre älter. »Beim ersten Mal hatte ich solche Angst, dass ich in den Wald gerannt bin. Er war tot, mehrere Stunden tot. Dann hat er sich aufgesetzt und die Augen geöffnet. O Mann, diese Augen.«
    »Seine Augen?«
    »Die Pupillen waren blassblau, wie der Himmel, wenn er nach einem Sturm ganz ausgewaschen ist. Beinahe als hätte er gar keine Augen, weil er sie auf der anderen Seite gelassen hat, um aufzupassen. Wir sind alle weggelaufen, weil wir die alten Bücher über Ungeheuer von der anderen Seite kennen. Die nennt man Zombies. Aber er hat bloß gelacht. Später ist er zu uns gekommen und hat uns von den schönen Dingen erzählt, die er gesehen hat. Er sagte, die auf dem Selbstmordgrat hätten es richtig gemacht und dass er sie auf der anderen Seite beim Spielen getroffen hätte.«
    Hadrian fröstelte, nicht nur wegen Dax’ Worten, sondern auch wegen des ernsten Tonfalls. Der Junge war wirklich von der Wahrheit des Geschilderten überzeugt.
    »Wir waren uns auch erst nicht sicher, aber dann hat er uns Sachen von dort mitgebracht.«
    Hadrian schwante Übles. »Was für Sachen?«
    Dora verschwand auf dem Speicher und kam dann die Stiege herunter. Sie hatte einen Gegenstand bei sich, der in altes Sackleinen gehüllt war. Als sie Hadrian erreichte, wickelte sie den Schatz aus. Es war eine große, detailliert gearbeitete blonde Puppe in einem weißen Kleid – als stamme sie frisch aus dem Regal eines Spielzeuggeschäfts. Dora ging zur Wand und zeigte auf ein Bild. Hadrian folgte ihrem kleinen Finger und sah, dass es sich nicht einfach nur um ein weiteres Foto handelte, sondern um eine Farbtafel aus einerBibel. Darauf war ein blonder Engel abgebildet, der ein gleißendes Licht verströmte. Das Mädchen hob die Puppe vor einen Spalt in der Bretterwand, so dass sie durch den einfallenden Sonnenstrahl ebenfalls von hinten erleuchtet wurde.
    Ein Junge gesellte sich hinzu und hielt ihm einen nagelneuen glänzenden Spielzeuglaster hin, der genau wie in einer der Werbeanzeigen aussah. Während Hadrian noch ungläubig darauf starrte, verschwand Dax im hinteren Teil der Mühle und kehrte mit einem Bündel aus Hirschleder zurück. Darin eingewickelt war die erstklassig bemalte, etwa fünfzehn Zentimeter große Figur eines bärtigen Zauberers, dem ein kleiner Drache auf der Schulter saß.
    »Das ist Bergungsgut«, sagte Hadrian, dem sein flehentlicher Tonfall nur zu bewusst war.
    »Niemand hat je Sachen wie diese mitgebracht«, wandte Dax ein. »Bergungsgut ist alt. Bergungsgut ist verrostet und dreckig.«
    Hadrian seufzte schwer. »Wie viele von diesen Geistern gibt es?«
    »Ich habe drei gesehen«, sagte Dax.
    »Kanntest du die Leute vorher?«
    »Sie kommen von weit weg, glaube ich. Sie haben so gerochen.«
    Hadrian merkte auf. »Ausgestoßene?«
    »Von weit weg.«
    Weit weg
. Damit konnten die abseits gelegenen Farmen gemeint sein oder die Ausgestoßenen oder die Jäger, die nur dann aus der Wildnis auftauchten, wenn sie Felle und Häute abzuliefern hatten. Vielleicht sogar die verarmten Überlebenden, die ihr Dasein auf der anderen Seite des Sees fristeten. Dann fiel Hadrian der Geruch der Männer ein, die ihn auf der Lichtung überfallen hatten. Auch Emily hatte Besucher erwähnt, die nach Gewürzen rochen. »Bitte«, sagte Hadrian.»Bitte lasst euch nicht verleiten, die Reise anzutreten und noch mehr solcher Dinge zu suchen.«
    Dax wickelte seinen Zauberer wieder ein. »Die Schakale gehen nicht weg. Die Schakale haben eine große Aufgabe zu erledigen.«
    »Und was ist der Preis, Dax? Was musst du tun, um ein vollwertiges Mitglied zu werden?«
    Der Junge lächelte nur.
    Hadrian erhob sich resigniert von seinem Platz und suchte in den jungen Gesichtern und auf den Zeitschriftenseiten nach irgendetwas, das erklären könnte, welches Geheimnis diese Kinder hüteten. Er hätte ärgerlich sein müssen, verspürte jedoch nur einen tiefen Kummer. Sein Blick fiel auf eine einzelne Werbeanzeige, die an der Rückseite einer Tür hing. Lassen Sie von sich hören, stand dort. Mit zitternder Hand nahm Hadrian die Anzeige ab. Vergessen Sie Ihre Lieben nicht. Geworben wurde für ein Mobiltelefon.
    »Das wart ihr bei seinem Grab!«
Wieso habt ihr Jonah ein altes Telefon mitgegeben?
, wollte er hinzufügen. Dann sah er den Schmerz in den Augen des Jungen. »Woher habt ihr Jonah gekannt?«, fragte er stattdessen.
    »Er kam manchmal her«, erklärte Dax und wies auf das Brachgelände im Umkreis der Mühle. »Er hat nach Insekten

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